MÜNCHEN (dpa-AFX) - Seine Börsennotierung dürfte sich der Online-Möbelhändler Westwing komplett anders vorgestellt haben. Die Aktie ist tief im Keller und hat im zurückliegenden Jahr massiv an Wert verloren. Westwing hatte mit einem Umsatzrückgang und einem operativen Verlust zu kämpfen, hinzu kommen gleich mehrere gekappte Prognosen. Was beim Unternehmen los ist, wie Analysten es einschätzen und wie sich die Aktie entwickelt hat.

DAS IST LOS BEI WESTWING:

Noch kurz vor der Erstnotiz sah es für Westwing deutlich besser aus. Die Entwicklung des 2011 gegründeten Unternehmens aus München war positiv. Der Börsengang im Herbst 2018 schien der nächste Schritt für Westwing zu sein, das auf seinen Webseiten Möbel, Accessoires und Textilien von Designern und Eigenmarken zum Verkauf anbietet.

Als Westwing im Oktober 2018 vom Start-Up-Investor Rocket Internet an den Kapitalmarkt gebracht wurde, war die Euphorie entsprechend groß. Gründer und Vorstandschef Stefan Smalla hatte sich damals optimistisch gegeben: "Wir sind stolz auf unser starkes Wachstum und unsere Profitabilität und werden diesen Weg weiter fortsetzen." Die Erlöse des Börsengangs sollten in weiteres Wachstum investiert werden.

Mittlerweile ist allerdings Ernüchterung eingekehrt. Der Weg aufs Parkett erwies sich als großer Flop. Und Probleme bei der Gewinnung von Neukunden durch Werbung sowie das schwache Geschäft in Italien belasteten das Unternehmen. Im Mai mussten die Münchner dann ihre Prognose für das laufende Geschäftsjahr kappen, nachdem das Bruttowarenvolumen für die Monate März und April unter den Erwartungen gelegen hatte.

Und die schlechten Nachrichten setzten sich fort: Im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahrs verzeichneten die Münchener einen rückläufigen Umsatz und waren operativ zudem in die roten Zahlen gerutscht. Den Verlust begründeten sie unter anderem mit den Folgen eines verzögerten Lagerumzugs.

Smalla räumte ein, dass die jüngsten Ergebnisse nicht den Ambitionen des Unternehmens für das Gesamtjahr entsprächen. Dennoch zeigte er sich zuversichtlich, dass die Talsohle mit Blick auf das zweite Halbjahr durchschritten sei. Westwing erwarte, bis Jahresende wieder zu profitablem Wachstum zurückzukehren. Insbesondere der Ausblick für das vierte Quartal sei positiv.

Der nächste herbe Dämpfer folgte dann aber am vergangenen Mittwoch: Westwing kappte die Gewinnerwartung für das laufende Geschäftsjahr und führte dies auf gesteigerte Investitionen ins Marketing zurück.

Seinen Optimismus für die weitere Entwicklung des Unternehmens lässt sich Smalla dennoch nicht nehmen. Er geht unbeirrt davon aus, dass sich die höheren Investitionen mittel- und langfristig positiv auswirken werden.

Am 7. November will Westwing, das nach eigenen Angaben in elf europäischen Ländern aktiv ist, die Zahlen für das dritte Quartal vorlegen. Dann wird sich zeigen, ob der Abwärtstrend perspektivisch tatsächlich gestoppt werden kann oder die Krise sich ausweitet.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Die Zahl der Analysten, die sich mit dem Wert aus dem Prime Standard der Deutschen Börse beschäftigen, ist sehr überschaubar. Immerhin hat sich Graham Renwick von der Privatbank Berenberg mit Westwing auseinandergesetzt und Anfang Mai sogar noch eine Kaufempfehlung ausgesprochen. Die liegt mittlerweile aber bereits fast fünf Monate zurück. Seitdem ist viel passiert bei Westwing.

Daher hat auch Renwick seine Meinung mittlerweile geändert: Die Glaubwürdigkeit in die Ziele des Unternehmens sei beschädigt, urteilte er nun in einer aktuellen Studie. Wie sich die Geschäfte weiter entwickelten, sei nur schwer vorherzusagen. Er stufte Westwing von "Kaufen" auf "Halten" ab.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Für Investoren ist die Kursentwicklung der Westwing-Aktie verheerend. Lag der erste Kurs beim Börsengang des Online-Möbelhändlers mit 26,49 Euro noch knapp über dem Ausgabepreis von 26,00 Euro, erlebten die Anteilsscheine im Anschluss einen heftigen Absturz. In weniger als einem Jahr haben die Papiere über 90 Prozent an Wert verloren. Zuletzt notierten sie unter 2 Euro. Aktionäre, die das Papier gehalten haben, haben daher enorm viel Geld in den Sand gesetzt.

Nach dem Rückzug des einstigen Großaktionärs Rocket Internet ist jetzt der schwedische Investor Kinnevik größter Anteilseigner. Er hält 13,5 Prozent./eas/men/jha/