DARMSTADT (awp international) - Positive Währungseffekte, mehrere Meilensteinzahlungen und allgemein gut laufende Geschäfte in der Region Asien und Nahost haben die Gewinne vom Spezialchemie- und Pharmakonzern Merck KGaA im zweiten Jahresviertel deutlich angekurbelt. Von April bis Juni kletterte das um Sonderposten bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) um fast ein Viertel auf 1,14 Milliarden Euro, wie der im Dax notierte Konzern am Donnerstag in Darmstadt mitteilte. Unter dem Strich kam mit 471 Millionen Euro ein fast doppelt so hoher Gewinn wie im Vorjahr heraus.

Konzernweit zogen die Umsätze um rund sieben Prozent auf knapp vier Milliarden Euro an. Analysten hatten mit etwas weniger gerechnet. Die Jahresprognose bestätigte das Management: So sollen die Umsätze im laufenden Geschäftsjahr unverändert moderat um drei bis fünf Prozent auf 15,3 bis 15,9 Milliarden Euro steigen. Das bereinigte Ebitda soll auf 4,15 bis 4,35 Milliarden Euro zulegen, nach 3,8 Milliarden ein Jahr zuvor. "Das Ergebnis zeigt insgesamt, dass wir auf einem guten Weg sind, unsere Ziele für 2019 zu erreichen", sagte Konzernchef Stefan Oschmann am Donnerstag bei einer Telefonkonferenz.

An der Börse kam das Zahlenwerk bereits gut an: Am Vormittag legte der Aktienkurs um 1,76 Prozent auf 94,12 Euro zu, womit Merck bis zuletzt der gefragteste Wert im Dax war. "Die Sparte Life Science hat ein weiteres starkes Quartal abgeliefert", schrieb Analyst Hugo Solvet vom französischen Investmenthaus Bryan Garnier in einer ersten Einschätzung. Nicht nur der Umsatz sei kräftig gestiegen, auch die Profitabilität habe die Konsensschätzung übertroffen. JPMorgan-Analyst Richard Vosser wies seinerseits darauf hin, dass die starken Ergebnisse erwartet worden waren.

Insgesamt verzeichnete der Konzern in allen drei Sparten ein Umsatzwachstum. Das grösste Plus lieferte dabei erneut die Laborsparte mit mehr als zehn Prozent Erlösplus. Den allergrössten Teil davon schaffte die Sparte aus eigener Kraft, vor allem weil es im Bereich Process Solutions besonders gut lief. Hier bietet Merck Dienstleistungen und Produkte rund um die Arzneimittelherstellung an. Der Verkauf des Durchflusszytometrie-Geschäfts wirkte sich nur geringfügig negativ aus.

Im Pharmageschäft verhalfen dem Konzern mehrere Meilensteinzahlungen sowie eine Zulassung des Multiple-Sklerose-Mittels Mavenclad in den USA zu einem Umsatz- und Ergebnissprung. Durch den US-Marktstart verdreifachten sich die Erlöse mit dem Medikament auf 61 Millionen Euro, was nur leicht unter den Konsensschätzungen der Analysten lag. Eine weitere US-Zulassung für das Nierenkrebs-Mittel Bavencio in Kombination mit dem von Pfizer entwickelten Wirkstoff Axitinib als Erstlinientherapie brachte den Darmstädtern zudem eine Meilensteinzahlung von rund 35 Millionen Euro ein. Hinzu kamen weitere Zahlungen vom britischen Forschungspartner Glaxosmithkline und von Biomarin Pharmaceutical .

Eine für Merck dieses Mal günstige Währungsentwicklung beim japanischen Yen sowie beim US-Dollar sorgte auch in der aktuellen Problemsparte mit den Spezialmaterialien für ein leichtes Umsatzplus. Der Konzern hat in dem Bereich seit einiger Zeit vor allem mit der wachsenden Konkurrenz aus Asien aber auch mit einer allgemeinen Marktschwäche zu kämpfen. Organisch sanken die Erlöse. Merck will in diesem Bereich durch eine verstärkte Ausrichtung auf die Halbleiter- und Elektronikindustrie die Kurve kriegen und hatte zu dem Zweck jüngst den US-Halbleiterzulieferer Versum sowie den kalifornischen Materialspezialisten Intermolecular gekauft.

Beide Transaktionen sollen laut Plan noch im zweiten Halbjahr 2019 über die Bühne gehen, wobei unter anderem die Wettbewerbsbehörden noch grünes Licht erteilen müssen. Laut Oschmann hätten bereits einige Länder, darunter Deutschland, Irland, Serbien und Taiwan, eine Freigabe hierfür erteilt. In den USA sehe er zudem keine Anzeichen für Probleme bei der Übernahme. "Mit dem Closing werden wir optimal positioniert sein, um im Bereich Semiconductor Solutions langfristiges Wachstum zu erzielen", sagte er. Das Segment hatte im zweiten Quartal mit rückläufigen Umsätzen zu kämpfen. Spätestens ab dem Jahr 2020 rechnet das Management aber wieder mit einer Erholung.

Als Grund führte Oschmann unter anderem die Erklärung von Analysten an, dass die weltweite Datennutzung trotz der konjunkturellen Eintrübung immer weiter zunehme. Und die Chips, an denen Merck mit seinen Materiallösungen mitverdient, stecken unter anderem in Handys, PCs und anderen Endgeräten. Von den bestehenden Handelskonflikten sei die Halbleiterbranche zudem aktuell nicht sehr stark beeinflusst, sagte Oschmann. Im Gegenteil, manch ein Konflikt könnte deutschen oder europäischen Unternehmen sogar Vorteile verschaffen, so wie der aktuelle Streit zwischen Japan und Südkorea. Denn Japan hat im Zuge des Streits seine Exporte von Halbleitermaterialien nach Korea eingeschränkt, wie Oschmann erklärte. "Und manche unserer Konkurrenten kommen aus Japan."/kro/bgf/stk