FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 11. Februar 2016. Klaus Stopp setzt sich umfassend mit der Situation an den internationalen Kapitalmärkten und im Anleihehandel auseinander.

Die Vertreter der Notenbanken mutieren immer mehr zu den alleinigen Krisenmanagern unserer Zeit, allerdings mit mäßigem Erfolg. Inzwischen ist es so, dass, sobald sich Politiker nicht mehr zu helfen wissen, sie auf erhellende Worte und die tatkräftige Unterstützung der Zentralbanken warten. Doch das war nicht immer so. Aber von Finanzkrise zu Finanzkrise scheint sich dieser Stil zu verfestigen. Hat man oft den Eindruck, dass die Zentralbanken stets die Wirtschaft mit der notwendigen Liquidität versorgen müssen, so mehren sich inzwischen die Stimmen, dass dadurch auch viele Probleme erst erzeugt wurden. Geld hat nämlich keine heilende Wirkung, sondern man erkauft sich damit lediglich Zeit.

Aber dennoch waren gestern die Blicke aller Finanzmarktakteure auf das halbjährliche geldpolitische Statement der Präsidentin der amerikanischen Notenbank (Fed), Janet Yellen, vor dem Finanzausschuss des US-Repräsentantenhauses gerichtet. Doch wirklich überrascht haben die Ausführungen der Notenbankchefin nicht und somit wurde die inzwischen vorherrschende Meinung der Marktteilnehmer nur bestätigt. Hatte man noch im vergangenen Jahr den Beginn einer Zinserhöhungswelle mit bis zu vier Anpassungen in 2016 erwartet, so liegt die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Zinsanhebung bei der nächsten Fed-Sitzung jetzt bei null Prozent. Und dass im Laufe des Jahres wenigstens noch einmal an der Zinsschraube gedreht wird, ist nur noch mit ca. 30 Prozent veranschlagt. Janet Yellen unterstrich bei ihrer Anhörung, dass man zurückblickend mit der Zinserhöhung das richtige Augenmaß hatte und man vorerst die weitere Entwicklung der US-Wirtschaft beobachten werde. Zusammengefasst bedeutet das: Wir haben bisher alles richtig gemacht und alle Investoren können sich sicher sein, dass wir den richtigen Weg beschreiten. Somit ist die Stabilität der Finanzmärkte auch in Zukunft gesichert!

Angesichts der weltweiten Konjunkturschwäche ist aber auch die Bank of England (BoE) von dem Pfad der Zinserhöhung abgekommen. Hatte zumindest in der Vergangenheit immer ein Mitglied im geldpolitischen Rat sich vehement dafür ausgesprochen, so votierten in der vergangenen Woche alle acht Ratsmitglieder für die Beibehaltung des aktuellen Zinsniveaus. Somit scheint eine baldige Zinswende in England in weite Ferne gerückt zu sein.

In Euroland zumindest gehen die Uhren aber anders. Dort wird auf der für den 10. März anberaumten Sitzung des EZB-Rats eine weitere Lockerung der Geldpolitik erwartet, da das Inflationsbarometer an diesem Dienstag auf ein neues Rekordtief bei 1,474 Prozent gefallen ist. Dieser Wert spiegelt die in 5 Jahren erwartete Inflation wider und stellt einen wichtigen Faktor bei geldpolitischen Entscheidungen dar. Da diese Zahl sehr weit von der anvisierten Zielgröße von 2 Prozent entfernt ist, fordert inzwischen auch der Bundesbank-Präsident, Jens Weidmann, eine substanzielle Senkung der Inflationsprognose. Dies wiederum befeuert die Erwartung der Marktteilnehmer auf eine Senkung des Einlagensatzes um 20 Basispunkte auf -0,50 Prozent bei der März-Sitzung der EZB. Zumal bei dieser Entscheidung einer der größten Kritiker der europäischen Geldpolitik, Jens Weidmann, zwar mit am runden Tisch sitzt, aber turnusgemäß im März kein Stimmrecht haben wird. Mario Draghi wird's freuen!

Bankenkrise Reloaded

Was zu Beginn des Jahres noch kein Thema war, wächst sich momentan immer mehr zu einer Krise aus. Die Investoren scheinen das Vertrauen in die Geldhäuser verloren zu haben. Dies drückt sich in den extrem gestiegenen Kosten für Credit Default Swaps aus, die aus Furcht vor einer Pleitewelle in der europäischen Bankenbranche den höchsten Stand seit mehr als zwei Jahren erreichten.

Die Banken sind in der Vergangenheit sicherlich in dem Wissen des staatlichen Sicherheitsnetzes viele Risiken eingegangen, die sie sonst abgelehnt hätten. So ist es nicht verwunderlich, dass z.B. Meldungen zur Kapitalausstattung der Deutschen Bank und zur Schließung der Maple Bank, Frankfurt, massive Kursverluste bei Finanzwerten nach sich zog. Zusätzlich verstärkten Berichte über die Höhe der notleidenden Kredite bei italienischen Banken und Bankenschließungen in Russland diesen Trend. Bereits fast 70 Institute wurden im vergangenen Jahr in Russland geschlossen und dabei handelt es sich nicht nur um kleinere Banken, sondern durchaus um mittelgroße Institute. In die globalisierte Welt passt in diesem Zusammenhang auch die jüngste Meldung von Hedgefonds-Managern, die in den Banken Chinas eine "über 30 Billionen US-Dollar schwere Zeitbombe" vermuten. Noch verfügt Chinas Regierung über Währungsreserven von über 3,3 Billionen US-Dollar. Aber da sich diese im vergangenen Monat um fast 100 Milliarden US-Dollar infolge diverser staatlicher Markteingriffe reduzierten, ist die Frage erlaubt, wie lange damit Schaden von der chinesischen Wirtschaft abzuwenden wäre. Schenkt man unterschiedlichen Recherchen Glauben, dann würden davon ca. 2,7 Billionen US-Dollar benötigt werden, um die chinesische Wirtschaft am Laufen zu halten. Dadurch würde die echte Manövriermasse auf ca. 600 Milliarden US-Dollar schrumpfen. Bei gleichbleibendem Abfluss der Mittel wären diese bereits nach sechs Monaten aufgebraucht und aus dieser Annahme schöpfen Hedgefonds-Manager ihren Mut, gegen China zu wetten.

Somit ist es dringlich, das verlorene Vertrauen der Investoren in die Widerstandsfähigkeit der Banken zurückzugewinnen. Doch dies wird nur über gesteigerte Erträge zu bewerkstelligen sein, was bei der aktuellen Geldpolitik der Notenbanken fast unmöglich ist. Die Institute sind also förmlich gezwungen, sich von unprofitablen Geschäftsfeldern zu trennen bzw. Fusionen voranzutreiben. Ob damit allerdings die Bankenkrise abgewendet werden kann, darf bezweifelt werden. Unterstützung erfährt zumindest die Deutsche Bank durch unseren Finanzminister Wolfgang Schäuble, der sich keine Sorgen um die Deutsche Bank macht. Sein Wort in Gottes Gehörgang!

Insolvenzverschleppung ist keine Lösung

In dieser Woche konnte man an den zu erzielenden Renditen für 10-jährige griechische Staatsanleihen ablesen, dass die Zuversicht bei vielen Investoren von Tag zu Tag schwindet. Am 19.11.2015 lag die Rendite noch bei 6,722 Prozent und am gestrigen Mittwoch bei 10,532 Prozent. Deutlicher lässt sich die Meinung der Investoren zum Thema Griechenland auch nicht mit Worten ausdrücken.

Doch wie wird die griechische Tragödie enden? In Neuwahlen, welche das Vertrauen der Geldgeber vollständig erschüttern würde? Fest steht lediglich, dass Griechenland zum wiederholten Male am Abgrund steht und wäre da nicht die Flüchtlingskrise, so würden sicherlich inzwischen auch Politiker anderer Eurostaaten den Grexit fordern. Hierbei leidet zwar einerseits der Staat Griechenland unter den Flüchtlingen, aber andererseits bewahrt er Athen vor massiven Forderungen aus Brüssel. So kann es nicht weitergehen! Die Steuerreformen lassen auf sich warten und auch in anderer Hinsicht sind lediglich kleine Veränderungen zu registrieren. Das Problem Hellas verlangt nach einer Lösung und die seit Jahren betriebene Insolvenzverschleppung vergrößert es nur noch. In bester "Kohl'scher" Manier werden Probleme nur noch ausgesessen.

Entscheidend für die Zukunft Tsipras' wird die schon bald anstehende Abstimmung über die Rentenreform im Parlament sein. Die hauchdünne Mehrheit seiner Regierung wird dazu nicht ausreichen und deshalb ist der Regierungschef bereits am Eruieren, ob Abweichler der Regierungsparteien mit Abgeordneten kleinerer Parteien ausgeglichen werden können.

EZB übt sich in Transparenz

Manchmal kann Druck auch etwas Positives bewirken. So hat sich zum Beispiel die Europäische Zentralbank (EZB) endlich dazu entschlossen, Transparenz in puncto der Wertpapierkäufe ihrer Mitgliedsnotenbanken zuzulassen. Seit Einführung des Euros wurden die autonomen Investitionen der nationalen Notenbanken unter Verschluss gehalten. Doch nun wurde endlich das Geheimnis gelüftet. Insgesamt wurden Ende 2015 Anfa-Finanzanlagen (Agreement on Net-Financial Assets) in Höhe von 490 Milliarden Euro bei der EZB und den Länder-Notenbanken gehalten. Somit wurde zwar das Gesamtvolumen genannt, aber echte Transparenz (wer hat was und wie viel davon) sieht anders aus.

Auch der Zusatz, dass diese Ankäufe der nationalen Zentralbanken mit dem Verbot der monetären Staatsfinanzierung im Einklang stehen, ist nicht vollumfänglich dazu geeignet, alle Zweifel zu zerstreuen. Denn manchmal wird mit einem Hinweis oder einem Dementi das Gegenteil dessen erreicht, was man eigentlich erreichen möchte.

Integration als vertrauensbildende Maßnahme

Hat Europa noch eine Zukunft und wenn ja, welche? Diese Frage stellen sich immer mehr Menschen in Europa und finden nicht immer die passenden Antworten. Seit Beginn der Währungsunion wurden viele Sachverhalte diskutiert und auch anschließend als direkte Vorgaben verpflichtend erlassen. Aber die Einhaltung der sinnvollen Regelungen ließ von Anfang an zu wünschen übrig. So sind die Verschuldungsgrenzen aus dem Maastricht Vertrag bis zum heutigen Tag nicht das Papier wert, auf das sie geschrieben wurden. Die nationalen Befindlichkeiten der einzelnen Mitgliedsländer sind einfach zu groß und verhindern das gemeinsame Europa. Die Bewältigung bzw. die Nicht-Bewältigung der Flüchtlingskrise verdeutlicht auch dem letzten Optimisten, dass Solidarität meist dort aufhört, wo sie mit eigenen Interessen kollidiert. Notwendige Reformen werden verschoben und auch die Verhandlungen zur Vermeidung des Brexit verdeutlichen, dass vieles im Argen liegt. Oftmals wird nur die Hand ausgestreckt, um Geld zu nehmen, aber nicht um etwas zu geben. Hier müsste endlich angesetzt werden. Leistungen erfordern Gegenleistungen!

Dass inzwischen sogar Notenbankchefs eine umfassende Reform der Währungsunion fordern, sollte den Politikern zu denken geben. Einen europäischen Finanzminister zu installieren, der mit den entsprechenden Befugnissen ausgestattet ist, macht sicherlich Sinn. Denn eine Währungsunion ist ohne einheitliche Fiskalpolitik ein zahnloser Tiger. Doch trotz des Vorstoßes der Notenbank-Präsidenten von Frankreich und Deutschland sind noch viele klärende Gespräche notwendig, um die Bereitschaft zu fördern, Entscheidungskompetenz nach Brüssel abzugeben. Das Mehr an Integration könnte dazu dienen, das abhandengekommene Vertrauen wieder aufzubauen. Ob das der richtige Weg ist, wird sich zeigen.

Corporate Bonds: Närrisches Treiben bei den Autobauern

Im närrischen Treiben ganz vorne mit dabei war der bayerische Autobauer BMW AG. So refinanzierte das Unternehmen im Rahmen eines Doppelpacks ein Gesamtvolumen von 1,25 Milliarden Euro. Bei der ersten Anleihe handelt es sich um einen 3-jährigen Floater (A18XTQ) im Volumen von 500 Millionen Euro. Die Anleger erhalten eine vierteljährliche Verzinsung in Höhe des 3-Monats-Euribor +65 bps bis zum Laufzeitende am 15.07.2019. Das Papier wurde zu 100 Prozent begeben. Der zweite Bond wurde als 6-jährige Anleihe (A18XTR) im Volumen von 750 Millionen Euro mit Fälligkeit am 15.02.2022 aufgelegt. Das Unternehmen zahlt jährlich Zinsen in Höhe von 1 Prozent. Der Bond wurde mit +85 bps über Mid Swap gepreist, was einem Ausgabepreis von 99,954 Prozent entsprach. Durch die gewählte Stückelung von 1.000 Euro soll der Kauf der beiden genannten Gattungen auch für Retail-Investoren ermöglicht werden.

Ebenso zeigte sich die Tochtergesellschaft von Ford die FCE Bank am Primärmarkt aktiv. Das Unternehmen refinanzierte 600 Millionen Euro mittels einer 5-jährigen Anleihe (A18XU9) und zahlt dafür bis zum Laufzeitende am 11.02.2021 jährlich 1,66 Prozent. Die Anleihe wurde mit +160 bps über Mid Swap gepreist, was einen Emissionspreis von 100 Prozent ergab. Die FCE Bank wählte bei dieser Anleihe die Mindeststückelung von 100.000 Euro.

Aber auch Goldman Sachs schaffte die erfolgreiche Refinanzierung im Doppelpack. Insgesamt wurden 2,5 Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufgenommen. Die erste Tranche als 3-jähriger Bond (A18XVN) im Volumen von 1,5 Milliarden Euro wird am 10.05.2019 fällig. Das Papier wurde zu 99,906 Prozent begeben, was einem Emissionsspread von +100 bps über Mid Swap entsprach und ist mit einem jährlichen Kupon i.H.v. 0,75 Prozent ausgestattet. Die zweite Anleihe (A18XVM) im Volumen von 1 Milliarden Euro ist nach 15 Jahren endfällig. Das Unternehmen zahlt dem Investor bis zum Laufzeitende am 12.02.2031 jährlich Zinsen in Höhe von 3 Prozent. Der Bond wurde mit +235,2 bps über der entsprechenden Bundesanleihe gepreist, was einem Ausgabepreis von 100 Prozent entsprach. Diese beiden Financials wurden mit einer Stückelung von nominal 1.000 Euro versehen.

von: Klaus Stopp

© 11. Februar 2016 - Baader Bank AG

Klaus Stopp ist der stellvertretender Leiter des Rentenhandel der Baader Bank.

Dieser Artikel gibt die Meinung des Autors wieder, nicht die der Redaktion von boerse-frankfurt.de. Sein Inhalt ist die alleinige Verantwortung des Autors.

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)