Berlin (Reuters) - Nach der großangelegten Razzia gegen sogenannte Reichsbürger wegen Umsturzplänen zur Errichtung eines neuen "Deutschen Reichs" gehen die Sicherheitsbehörden von mehr Mitwissern aus.

Thüringens Innenminister Georg Maier rechnet mit weiteren Festnahmen, wie der SPD-Politiker am Donnerstag im Deutschlandfunk sagte. Wenn beschlagnahmte Beweisstücke wie etwa Mobiltelefone ausgewertet seien, sei dies zu erwarten. 23 der 25 am Mittwoch Festgenommenen sind nach Angaben der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mittlerweile in Untersuchungshaft. Die beiden in Österreich und Italien festgenommenen Personen würden nach Deutschland überstellt.

Insgesamt gibt es 52 Beschuldigte. An den Umsturzplänen waren nach Angaben des Generalbundesanwalts mindestens ein aktiver Bundeswehr-Soldat sowie zwei ehemalige Soldaten beteiligt. Zudem in Verdacht stehen der Adelige Heinrich XIII. Prinz Reuß als Kopf der Bande sowie die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann, die Richterin in Berlin ist. Der 71-jährige Reuß wurde an seinem Wohnort in Frankfurt am Main festgenommen, er ist Gutsherr eines Jagdschlosses im ost-thüringischen Bad Lobenstein, wo sich die Gruppe zu konspirativen Treffen versammelt haben soll. Geplant gewesen sein soll der Sturz der Bundesregierung und dabei auch die Erstürmung des Bundestags.

"DAS MACHT ES GEFÄHRLICH"

Beunruhigt hat die Sicherheitsbehörden vor allem, dass die Gruppe über zahlreiche Waffen verfügt haben soll. Gefahndet wird nun nach einem Waffendepot. Dazu sind die Ermittler auch an dem Jagdschloss in Thüringen im Einsatz. Sorge bereitet auch die Verwicklung einer ehemaligen Bundestagsabgeordneten, die damit Zugang zum und Wissen über das Parlament bereitstellen konnte. "Wir haben doch eine gefährliche Mischung von Menschen, die auch irrationalen Überzeugungen folgen", sagte der Chef des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, im ARD-Morgenmagazin. "Manche mit viel Geld, andere wiederum im Besitz von Waffen mit einem Plan, den sie auch ausführen wollen", sagte Münch. "Und das macht es gefährlich, und deswegen sind wir auch eingeschritten."

Thüringens Innenminister Maier verwies darauf, dass die AfD in seinem Bundesland vom Verfassungsschutz beobachtet werde. Er warf der rechtspopulistischen Partei vor, dass sie wie eine Schnittstelle für rechtsextreme Organisationen funktioniere. Der Chef der Thüringer AfD-Landtagsfraktion, Björn Höcke, gilt in der Partei als rechter Hardliner. Die meist rechtsgerichteten Reichsbürger erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht an und verweigern die Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden. Die Bewegung gilt als sehr heterogen, auch im Lager der sogenannten Querdenker und Corona-Leugner sind sie zu finden. Im vergangenen Jahr zählte der Verfassungsschutz rund 21.000 Reichsbürger, davon 900 Rechtsextreme. Laut Bundesinnenministerium wurden von 2016 bis 2021 etwa 1500 Waffenscheine von Reichsbürgern eingezogen.

(Bericht von Andreas Rinke, Ursula Knapp und Alexander Ratz. Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)