Stuttgart (Reuters) - Im Standortwettbewerb um Produktion von Elektroautoteilen fürchten die Betriebsräte der Zulieferer Bosch und ZF Friedrichshafen zunehmend Ansiedlungen in Niedriglohnländern Osteuropas.

"Wir haben eine zweite Front, die lautet, wir verlagern nach Osteuropa", sagte Achim Dietrich, Betriebsratschef von ZF Friedrichshafen, am Freitag in Stuttgart. Beim Umschwung vom Verbrenner- zum Elektroauto gehe es nicht mehr nur darum, was auf Kolben, Dieselpumpen oder Getriebe in der Fertigung folgt, sondern auch darum, ob die Zukunftstechnik überhaupt in Deutschland angesiedelt werde, warnte der Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg, Roman Zitzelsberger. Die Zahl der Einzelfälle steige. Zu einer Betriebsrätekonferenz von Zulieferern der Gewerkschaft werde auf Basis einer Umfrage demnächst ein genaueres Bild vorliegen.

ZF Friedrichshafen gilt mit einer Zukunftsvereinbarung von Management und Betriebsrat eigentlich als vorbildlich beim Regeln des Umschwungs, der zu weniger Beschäftigung und neuen Anforderungen führt. Doch auch hier tobt Dietrich zufolge ein Verteilungskampf zwischen Deutschland und Niedriglohnstandorten. Zwei Werke seien gefährdet, weil ZF einen Standort in Serbien von heute 1000 Beschäftigten bis 2032 auf 6000 Stellen vergrößern wolle. So sei etwa die Stoßdämpferproduktion in Eitorf von ersatzloser Schließung bedroht. Kritisch an den Serbien-Plänen des Managements ist aus Sicht von Dietrich, dass es nicht um einfache Bauteile gehe, sondern um zukunftsträchtige Softwareprodukte und elektrische Antriebsteile. Das größte ZF-Getriebewerk in Saarbrücken bekomme bislang nur die Endmontage des E-Antriebs ab. Dabei müssten für 5000 der rund 9500 Beschäftigten dort noch neue Aufgaben gefunden werden. "Der neue Scheiß muss hierher", forderte Dietrich.

Beim Branchenprimus Bosch ist die Lage nach Ansicht von Betriebsratschef Frank Sell ebenfalls kritisch. "Wir werden mit osteuropäischen Standorten verglichen, wo Millionen EU-Gelder hinterhergeschmissen werden, und wir gucken in die Röhre", sagte er. Schuld daran sei das EU-Beihilferecht, das staatliche Hilfen nur für strukturschwache Regionen erlaube. Doch auch das Bosch-Management kritisierte der Betriebsratschef scharf. Die Geschäftsführung gehe beim Umbau kleinteilig Standort für Standort vor, lasse die Arbeitnehmervertreter aber im Dunkeln über ihre Strategie und beziehe sie nicht frühzeitig in Entscheidungen ein. "Nach dem Modell 'teile und herrsche' werden wir vor vollendete Tatsachen gestellt", sagte Sell. "Wir fordern die Geschäftsleitung auf, mit uns in Gespräche einzutreten."

Bosch-Chef Stefan Hartung erklärte unterdessen beim Jahresauftaktgespräch des Konzerns, der Konkurrenzkampf unter Zulieferern um die Produktion von E-Autokomponenten sei besonders hart. Die erst wachsende Fertigung sei wegen geringer Stückzahlen in Europa nicht profitabel. China werde die Gewinnschwelle in diesem Jahr als erste Region des Stiftungskonzerns erreichen. Der weltweit größte Autozulieferer kämpft wegen der Produktionsausfälle in der Autoindustrie aufgrund des Chipmangels und hoher Investitionen mit einer schwachen Ertragslage.

(Bericht von Ilona Wissenbach. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)