WASHINGTON (dpa-AFX) - US-Präsident Joe Biden empfängt Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron zu einem mehrtägigen Staatsbesuch in Washington. Macron ist der erste ausländische Gast, für den Biden seit Beginn seiner Amtszeit vor knapp zwei Jahren einen offiziellen Staatsbesuch abhält. Macron landete am Dienstagabend (Ortszeit) auf dem Militärflughafen Joint Base Andrews unweit der US-Hauptstadt Washington. Die US-Regierung bezeichnet Frankreich als "ältesten Verbündeten" und lobt Macrons Engagement nach der russischen Invasion in die Ukraine sowie mit Blick auf den Systemrivalen China. Zwischen Biden und Macron dürften aber auch Streitpunkte zur Sprache kommen.

Macron wird bei der Reise von seiner Ehefrau Brigitte und mehreren Ministerinnen und Ministern begleitet. Das Programm dauert mehrere Tage - an diesem Mittwoch wird der Franzose etwa mit Bidens Stellvertreterin Kamala Harris zusammentreffen und bei einer Zeremonie auf dem Nationalfriedhof von Arlington dabei sein. Am Abend steht ein Abendessen der Macrons mit dem US-Präsidenten und seiner Ehefrau Jill auf dem Programm. Am Donnerstag soll es eine gemeinsame Pressekonferenz mit Macron und Biden geben. Für den Abend ist ein festliches Staatsdinner angesetzt. Im Anschluss will Macron in die Metropole New Orleans im US-Bundesstaat Louisiana weiterreisen. Die Gegend im Süden der USA ist besonders französisch geprägt.

Im Mittelpunkt der Gespräche zwischen Biden und Macron werde der russische Angriffskrieg auf die Ukraine stehen, ließ die US-Regierung vorab wissen. Weitere Themen seien China, Iran, der Indopazifik und die gemeinsame wirtschaftliche Zusammenarbeit etwa im Energiebereich. Frankreich stehe im Zentrum bei vielen dieser Themen, sagte der Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses, John Kirby. Macron sei "eine dynamische Führungspersönlichkeit" innerhalb der G7-Gruppe wirtschaftsstarker Demokratien, "insbesondere in Europa". Daher habe ihn Biden als Gast für den ersten Staatsbesuch ausgewählt.

Auch Ex-Präsident Donald Trump hatte Macron als ersten Staatsgast seiner Amtszeit empfangen. Im Jahr 2018 wurde der französische Staatschef mit militärischen Ehren vor dem Weißen Haus begrüßt. Damals sprach er vor beiden Kammern des US-Kongresses. Eine ähnliche Ehre war im Jahr 1960 dem damaligen französischen Präsidenten Charles de Gaulle zuteil geworden. Macron pflanzte im Garten des Weißen Hauses als symbolische Geste einen Eichenbaum.

Für den französischen Präsidenten geht es beim aktuellen Besuch um einen Schulterschluss Amerikas und Europas angesichts der großen Krisen - neben dem Krieg in der Ukraine stellen die Energiefrage und der Klimawandel die Verbündeten vor große Probleme. Die Strategien der USA und Europas müssten neu aufeinander abgestimmt werden, auch hinsichtlich gemeinsamer Interessen China gegenüber, hieß es aus dem Élyséepalast. Ganz und gar nicht auf einer Linie ist man beim amerikanischen Protektionismus. So trage Europa wirtschaftlich die Hauptlast der Sanktionen gegen Russland, während US-Firmen von deutlich geringeren Energiekosten profitierten - das drohe die Kluft zwischen beiden Partnern zu vergrößern, hieß es aus Paris.

Absehbarer Konfliktpunkt wird der sogenannte Inflation Reduction Act sein, das Inflationsbekämpfungsgesetz, mit dem die USA ihre Industrie ankurbeln und gegenüber ausländischen Wettbewerbern bevorzugen wollen. Zwar forderte Frankreich als Gegenmaßnahme bereits Schritte zur Bevorzugung europäischer Firmen - allerdings rechnet sich Macron dem Vernehmen nach wenig Chancen aus, die amerikanischen Pläne komplett zu stoppen. Vielmehr hofft er wohl darauf, bei Biden Ausnahmeregelungen für eine Reihe von europäischen Industrien zu erwirken, wie dies bereits mit Mexiko und Kanada vereinbart wurde.

Erwartet wird, dass Macron in Washington seinen vielfach kritisierten Kurs verteidigt, die Ukraine im Krieg gegen Russland zu unterstützen und gleichzeitig im Austausch mit Kremlchef Wladimir Putin zu bleiben. Zuletzt noch hatte Macron angekündigt, erneut den Kontakt zu Putin zu suchen - dies werde aber wohl erst nach der USA-Reise geschehen und wenn sich ein sinnvoller Moment dafür biete, hieß es in Paris. Am 13. Dezember richtet Frankreich eine Unterstützerkonferenz für die Ukraine aus, um dem Land über den Winter zu helfen.

Im vergangenen Jahr hatte es in den Beziehungen zwischen den beiden Nato-Partnern ordentlich geknirscht, weil Frankreich wegen eines neuen US-geführten Sicherheitsbündnisses im Indopazifik ein Milliarden-Geschäft für U-Boote entging. Damals war US-Vizepräsidentin Harris nach Paris gereist, um die Wogen zu glätten./nau/DP/zb