(Reuters) - Nach den vermeintlichen ukrainischen Drohnenangriffen auf russische Militärstützpunkte weit im Landesinneren verstärkt sich die Sorge vor einer Eskalation des Krieges.

Der russische Präsident Wladimir Putin sprach am Mittwoch davon, dass die Gefahr eines Atomkriegs wachse. Russland sehe sein Atomwaffenarsenal nur als Abschreckung, werde sich aber "mit allen Mittel" verteidigen und wiederholte damit ähnliche Äußerungen seit Kriegsbeginn. Zugleich wuchs die Sorge, dass sich angesichts von Truppenbewegungen in Belarus eine zweite Front für die Ukraine aufbauen könnte.

Putin hatte sich in einer vom russischen Fernsehen übertragenen Rede zudem darüber beklagt, dass westliche Menschenrechtsorganisationen Russland als "ein Land zweiter Klasse betrachten, das kein Recht habe, zu existieren". Die Antwort sei ein konsequenter Kampf für nationale Interessen. Man werde auch friedliche Mittel einsetzen. "Aber wenn nichts anderes übrig bleibt, werden wir uns mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen", fügte er hinzu. Russland sehe sein Atomwaffenarsenal als Mittel zur Vergeltung, nicht zum Erstschlag. "Wir sind nicht verrückt geworden, wir wissen, was Atomwaffen sind", sagte Putin.

Es sei derzeit nicht sinnvoll, weitere Soldaten zu mobilisieren, fügte Putin mit Hinweis auf die bereits 300.000 einberufenen Reservisten im September und Oktober hinzu. 150.000 von ihnen würde derzeit in der Ukraine eingesetzt. Putin sprach erneut von einer "Spezialoperation" und sagte, diese könne noch lange andauern.

Russland hatte zuletzt immer wieder gezielt die Energie- und Wasserversorgung in der Ukraine mit Raketen attackiert, nachdem sich die russischen Bodentruppen aus einigen besetzten Gebieten hatten zurückziehen müssen. Die Ukraine und der Westen werfen Russland angesichts des nahenden Winters vor, Kälte als Waffe einzusetzen. Russland weist dies zurück.

Auf mehreren russischen Militärstützpunkten tief im Landesinneren hatte es am Montag mehrere Explosionen gegeben, für die Russland ukrainische Drohnenangriffe verantwortlich machte. Die US-Regierung habe die Regierung in Kiew dazu nicht ermutigt, betonte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby. Man habe mit der Ukraine sehr deutlich über die Rechenschaftspflicht in Bezug auf Waffensysteme gesprochen. "Wir haben unsere Besorgnis über eine Eskalation konsequent zum Ausdruck gebracht. Wir haben sie nicht ermutigt, dies zu tun", sagte Kirby.

Die Bundesregierung äußerte dagegen Verständnis. "Die Ukraine hat ein verbrieftes Recht auf Selbstverteidigung, das sich aus Artikel 51 der UN-Charta ergibt", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit und verwies darauf, dass die Ukraine seit mehr als neun Monaten von Russland angegriffen werde. "Die Ukraine ist nicht verpflichtet, die Verteidigungsanstrengungen auf das eigene Staatsgebiet zu beschränken."

BELARUS VERLEGT TRUPPEN

Die Regierung des mit Russland verbündeten Belarus erklärte am Mittwoch, es verlege Truppen und militärische Ausrüstung, um einer terroristischen Bedrohung entgegenzuwirken. Präsident Alexander Lukaschenko, der bei der Niederschlagung eines Volksaufstandes vor zwei Jahren auf russische Rückendeckung angewiesen war, hatte bereits zugelassen, dass Belarus als Aufmarschgebiet für die russische Invasion in der benachbarten Ukraine dien. Seine eigene Armee hat er aber herausgehalten. In den vergangenen Wochen mehrten sich jedoch die Anzeichen für ein Engagement Moskaus in Weißrussland. Am Samstag flog der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu unangekündigt in die Hauptstadt Minsk. Er und sein belarussischer Amtskollege Viktor Khrenin unterzeichneten Änderungen am Abkommen über die Sicherheitskooperation der beiden Länder, ohne die neuen Bedingungen bekanntzugeben.

(Bericht von Tom Balmforth, Mark Trevelyan, Steve Holland, Andreas Rinke; redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)