BERLIN (dpa-AFX) - Die Bemühungen um niedrigere Energiepreise nehmen in Deutschland und Europa Gestalt an. Der Bundestag beschloss am Freitag, die Mehrwertsteuer auf Gas und Fernwärme zu senken, während EU-Minister in Brüssel vereinbarten, Gewinne von Energieunternehmen abzuschöpfen.

Seit Wochen hatten die Mitgliedstaaten nach einer Lösung gesucht, die stark gestiegenen Energiepreise abzudämpfen. Mit den beschlossenen Maßnahmen soll auch Strom gespart werden. Konkret werden Energieunternehmen verpflichtet, einen Teil ihrer Krisengewinne an den jeweiligen Staat abzugeben, wie die tschechische Ratspräsidentschaft mitteilte. Damit sollen die Verbraucher entlastet werden. Der Beschluss muss noch formell bestätigt werden.

Der deutsche Branchenverband BDEW äußerte sich skeptisch zur Gewinnabschöpfung, denn Stromerzeuger könnten auf langfristige Verträge verzichten. "Auch wenn die Erlösobergrenze kein direkter Eingriff in die Marktmechanismen ist, wirkt sich diese Notfallmaßnahme natürlich auf den Markt aus", sagte BDEW-Chefin Kerstin Andreae.

Die Minister wollten auch über einen EU-weiten Gaspreisdeckel diskutieren, wie ihn mehr als die Hälfte der Staaten gefordert hat. Damit gäbe es einen Maximalpreis für Gas im europäischen Großhandel und für Importe. Dazu sollte es aber noch keinen Beschluss geben. Deutschland hatte den Vorschlag von Italien, Frankreich, Belgien und anderen Ländern nicht unterstützt und mit der Versorgungssicherheit argumentiert. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck warnte, es dürfe nicht zu wenig Gas nach Europa kommen.

Von Italien gab es unterdessen Kritik am 200 Milliarden Euro schweren Hilfspaket, das die Bundesregierung zur Abfederung der Energiepreise plant. "Angesichts der gemeinsamen Bedrohungen unserer Zeit können wir uns nicht aufteilen je nach Möglichkeiten unserer Haushalte", argumentierte Ministerpräsident Mario Draghi.

Habeck dämpfte die Erwartungen an die Milliardenhilfen, die unter anderem Verbrauchern zugutekommen sollen. Die Preise von 2021 werde es nicht geben, sagte er im Deutschlandfunk. Man könne sie nicht auf dieses Niveau heruntersubventionieren. "Auch nicht mit diesen gigantischen 200 Milliarden Euro."

Der Bundestag beschloss unterdessen, die Mehrwertsteuer auf Gas und Fernwärme bis Ende März 2024 von 19 auf 7 Prozent zu senken. Ursprünglich war die Steuersenkung im Zuge der umstrittenen Gasumlage auf die Agenda gesetzt worden. Mit der Umlage sollten strauchelnde Gasimporteure gestützt werden, die unter fehlenden Lieferungen aus Russland leiden und sich das Gas jetzt vergleichsweise teuer auf dem Markt kaufen müssen. Die Umlage wurde jedoch kurz vor dem geplanten Start am Samstag gekippt.

Auch wenn Deutschlands Gasspeicher mit 91,3 Prozent vergleichsweise gut gefüllt sind, sieht der Betreiberverband kein Grund zum Verschnaufen und fordert Verbraucher zum Sparen auf. "Aufgrund der weiterhin stark reduzierten Importmöglichkeiten für Gas muss davon ausgegangen werden, dass die Gasspeicher im Winter bereits früher als sonst und deutlich stärker zur Versorgung eingesetzt werden", sagte der Geschäftsführer des Verbandes Initiative Energien Speichern (Ines), Sebastian Bleschke./höz/DP/nas