Berlin/Moskau (Reuters) - Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock haben Russland eindringlich vor einem Angriff auf die Ukraine gewarnt.

"Wir haben keine andere Wahl, als unsere gemeinsamen Regeln zu verteidigen, auch wenn dies einen hohen wirtschaftlichen Preis hat", sagte Baerbock am Dienstag in Moskau nach einem Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow. Der Kanzler schloss nicht aus, dass zu den angedrohten wirtschaftlichen, finanziellen und politischen Konsequenzen im Falle einer Aggression auch die Ostseepipeline Nord Stream 2 gehören könnte. Deutschland stehe zu der mit den USA geschlossenen Vereinbarung zu der Pipeline. "Dazu gehört eben auch, dass klar ist, dass es hohe Kosten haben wird, dass Alles zu diskutieren ist, wenn es zu einer militärischen Intervention gegen die Ukraine kommt", fügte er auf die Frage hinzu, ob von Sanktionen auch Nord Stream 2 betroffen sein könnte.

Der Kanzler sagte, dass er auf ein Deeskalationszeichen Russlands etwas durch eine Truppenreduzierung warte. Auch die Außenministerin hatte in Moskau kritisiert, dass Russland 100.000 Soldaten an der ukrainischen Grenze zusammengezogen habe, was nur als Drohung gegen das Nachbarland aufgefasst werden könne. Baerbock und Lawrow hatten in Moskau mehrere Stunden miteinander verhandelt. Danach warf der russische Außenminister der Nato unter anderem vor, sich nicht an Vereinbarungen bei der Osterweiterung zu halten. Zudem kritisiert er, dass die Gaspipeline "politisiert" werde.

Baerbock wiederum betonte, dass es in vielen Themen große, fundamentale Meinungsverschiedenheiten mit der russischen Regierung gebe. Sie verwies aber auch auf die Chancen einer Zusammenarbeit, sowohl bei der Umsetzung des Atomabkommen mit dem Iran als auch beim Kampf gegen den Klimawandel. Deutschland werde zudem noch einige Jahre Gas aus Russland brauchen.

Scholz, Baerbock und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg betonten die Bereitschaft zu einem Dialog mit Moskau. Auch Lawrow schloss weitere Gespräche nicht aus. Stoltenberg sagte in Berlin, dass er die Mitglieder des Nato-Russland-Rates zu weiteren Gesprächen eingeladen habe. Wie der Kanzler hob er die Bedeutung der verschiedenen Gesprächskanäle mit Moskau wie das Normandie-Format, die OZSE und die amerikanisch-russischen Gespräche hervor. Scholz und Baerbock warben zudem für erneute Gespräche Deutschlands, Frankreichs, der Ukraine und Russlands zur Lage in der Ostukraine und die Umsetzung des Minsker Friedensabkommens. Lawrow betonte, dass vor allem Gespräche zwischen der ukrainischen Seite und den prorussischen Separatisten in der Ostukraine wichtig seien.

Bereits am Montag hatte Baerbock bei ihrem Besuch in Kiew mit ihrem ukrainischen Kollegen Dmytro Kuleba einen Vorstoß zur Wiederbelebung von Verhandlungen im sogenannten Normandie-Format vereinbart. "Diplomatie ist der einzige gangbare Weg, um die derzeitige hochgefährliche Situation zu entschärfen", hatte Baerbock in der Ukraine gesagt.

AUSSENMINISTER-TREFFEN IN BERLIN

Die Pendeldiplomatie wird in den nächsten Tagen fortgesetzt. Am Donnerstag wird es in Berlin zu einem hochrangigen Treffen westlicher Außenminister kommen. Die US-Regierung kündigte an, dass Außenminister Antony Blinken auf seiner Reise in die Ukraine in Berlin Station machen werde. Dort trifft er nicht nur Baerbock, sondern auch Kanzler Scholz. Außerdem soll es zu einem Treffen mit den Amtskollegen aus Frankreich und Großbritannien kommen.

Scholz lehnte erneut deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine ab. Die britische Regierung hatte dagegen Militärausrüstung in die Ukraine geschickt. Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace betonte nach der Verwirrung über die ungewöhnliche Flugroute des britischen Militärflugzeuges um Deutschland herum, dass Deutschland dem Flugzeug keinesfalls die Überflugerlaubnis verwehrt habe. Auch ein Sprecher des deutschen Verteidigungsministeriums hatte am Vormittag betont, dass die britische Regierung gar keinen Antrag auf Überflug gestellt habe.

Die Frage, ob ein russischer Einmarsch auch militärische Hilfe der Nato für die Ukraine auslösen könne, beantwortete Kanzler Scholz nur indirekt: Er warnte Moskau vor schwerwiegenden politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Konsequenzen. Nato-Generalsekretär Stoltenberg betonte das Selbstverteidigungsrecht jeden Landes. Die Nato habe der Ukraine deshalb bereits Hilfe zur Ausbildung und Modernisierung ihrer Streitkräfte geleistet.