DOW JONES--Trotz des Scheiterns der Regierung in Frankreich stellt dies noch keine Euro-Krise dar. Aus Sicht von US-Anlegern war diese Befürchtung in den vergangenen Tagen mehrfach genannt worden. Thomas Gitzel, Chef-Volkswirt der VP Bank, sieht dahinter aber keine vergleichbaren Probleme. Dazu habe die EZB ihr Instrumentarium massiv erweitert, falls hier Eingriffsbedarf bestehe.
Die bisherige Minderheitsregierung von Premier Michel Barnier wurde am Mittwochabend abgewählt. Wie es nun weitergehe, sei völlig offen, betont Gitzel. Französischen Medienberichten zufolge hält Präsident Emanuel Macron bereits Umschau nach einem neuen Ministerpräsidenten. Die aktuelle Regierung könnte so lange geschäftsführend im Amt bleiben.
Grundsätzliches Problem ist die zersplitterte politische Landschaft. Weder das Linksbündnis noch die Mitte-Rechts-Kräfte um Macron oder die Rechtsnationalen von Marine Le Pen verfügen über eine regierungsfähige Mehrheit. Diese Situation erschwert die Bildung einer stabilen Regierung erheblich, was selbst bei Neuwahlen der Fall wäre. Aktuellen Umfragen zufolge hat sich an der Stimmenverteilung seit den letzten Wahlen im Juni und Juli kaum etwas Nennenswertes verändert.
"An den Finanzmärkten ist man berechtigterweise nervös", sagt Gitzel: Die Renditeaufschläge französischer Staatstitel gegenüber deutschen Bundesanleihen liegen mit 85 Basispunkten auf Niveaus, die zuletzt im Zuge der europäischen Staatsschuldenkrise der Jahre 2011 und 2012 verzeichnet wurden. Der öffentliche Haushalt wird im laufenden Jahr ein Defizit von 6 Prozent des BIP ausweisen, was die französische Staatsverschuldung auf über 110 Prozent des BIP bringt. Die angespannte Finanzsituation macht eine Konsolidierung der Staatsausgaben erforderlich, was sich in Anbetracht der verfahrenen politischen Situation als schwierig erweist.
Im Gegensatz zur Staatsschuldenkrise der Jahre 2011 und 2012 habe die EZB nun aber mächtige Instrumente an der Hand. So können etwa mit dem Transmissionsschutz-Instrument (TPI) Anleihen einzelner Euro-Staaten in unbegrenztem Umfang gekauft werden, um unangemessen hohe Renditeaufschläge zu verhindern. "Alleine die Tatsache, dass die EZB einschreiten kann, dürfte ein Überschwappen auf andere Staaten verhindern und auch die französischen Renditeaufschläge nicht in jene Höhen treiben, die im Jahr 2011 zu vermelden waren", betont der Volkswirt. Im November 2011 lagen die Renditen 10-jähriger französischer Staatstitel knapp 2 Prozentpunkte über ihren deutschen Pendants. Die Nervosität dürfte vorerst hoch bleiben, aber es ist von keiner neuerlichen Euro-Krise zu rechnen - die Schutzschilder der EZB sind hierfür zu mächtig.
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December 05, 2024 00:35 ET (05:35 GMT)