Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte im November binnen Jahresfrist lediglich um 0,6 Prozent zu, wie das nationale Statistikamt ONS am Montag mitteilte. Dies ist der schwächste Zuwachs seit Juni 2012. Im Oktober hatte es noch ein Plus von 1,0 Prozent gegeben. Nach dem jüngsten Hinweis von Notenbankchef Mark Carney auf eine Zinssenkung in diesem Jahr tippen Investoren mittlerweile darauf, dass dieser Schritt bereits Ende des Monats kommen könnte. Sie taxieren die Wahrscheinlichkeit dafür auf 50 Prozent. Bis Mai stehen die Chancen dafür nach Einschätzung der Märkte sogar bei 85 Prozent.

Ökonom George Saravelos von der Deutschen Bank geht davon aus, dass die Notenbank rasch auf die schwächelnde Konjunktur reagieren wird: "Wir denken, dass die Bank of England diesen Monat die Zinsen senken wird. Die Brexit-Unsicherheit wird eher noch zu- als abnehmen und die Wirtschaft wird wahrscheinlich in eine Rezession abrutschen."

Zuletzt hatte auch der britische Währungshüter Gertjan Vlieghe in einem Interview der "Financial Times" signalisiert, dass er bei der Zinssitzung Ende des Monats für eine Lockerung votieren werde, falls sich die Wirtschaft nicht durchgreifend bessern sollte. Auf der geldpolitischen Sitzung im Dezember hatten bereits zwei der neun Währungshüter der Bank of England (BoE) für eine Senkung des Leitzinses gestimmt.

UNSICHERHEIT AUCH ÜBER BREXIT HINAUS

Und jüngst warnte BoE-Führungsmitglied Silvana Tenreyro, wahrscheinlich werde sich die Wirtschaft schlechter entwickeln als von der BoE im November prognostiziert. Die Notenbank hatte für das vierte Quartal 2019 ein Plus beim BIP von 0,2 Prozent vorhergesagt und für 2020 einen Zunahme der Wirtschaftsleistung um 1,2 Prozent angenommen.

Großbritannien will Ende Januar die EU verlassen. Lange Zeit stand im Raum, dass das Land bereits Ende Oktober 2019 die EU womöglich ohne Abkommen verlässt. Dies hatte für Unsicherheit bei britischen Firmen und Verbrauchern gesorgt. Nach der Trennung müssen Großbritannien und die Europäische Union ihre künftigen Beziehungen klären - etwa im Handel. Premierminister Boris Johnson hat angekündigt, dass seine Regierung die Frist bis Ende des Jahres nicht verlängern werde. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hält es für "praktisch unmöglich", dass die Verhandlungen 2020 abgeschlossen werden können.

BoE-Chef Carney hatte jüngst eine "relativ schnelle" Reaktion der Währungshüter in Aussicht gestellt, falls sich eine anhaltende Schwäche der Wirtschaft abzeichnen sollte. Zugleich verwies er auf den relativ begrenzten Spielraum beim Leitzins, der derzeit bei 0,75 Prozent liegt. Doch hat die Notenbank laut Carney noch mehr Munition auf Lager, um gegen einen Abschwung zu kämpfen: Er rechnet dazu neben dem klassischen zinspolitischen Arsenal auch etwaige Wertpapierkäufe in großem Stil mit ein, was insgesamt der Feuerkraft einer Zinssenkung um 2,5 Prozentpunkte entsprechen würde.