Die Übersicht in Kurzmeldungen zu Entwicklungen, Ergebnissen und Einschätzungen rund um die bundesdeutsche Politik:
CDU-Wirtschaftsrat: Regierung muss zur soliden Haushaltspolitik zurückkehren
Der Wirtschaftsrat der CDU hat sich erfreut gezeigt über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Verschiebung von 60 Milliarden Euro an nicht benötigten, ursprünglich zur Bewältigung der Corona-Krise vorgesehenen Krediten in den Klima- und Transformationsfonds für nichtig erklärt hat. "Die Bundesregierung muss ihre Ausgaben durch die laufenden Einnahmen decken und dazu Priorisierungen vornehmen. Solide Haushaltspolitik ist ein Gebot der Generationengerechtigkeit", sagte der Generalsekretär des Wirtschaftsrates Wolfgang Steiger. Besonders in dieser wirtschaftlich angespannten Zeit müsste Deutschland zu einer soliden Haushaltspolitik zurückkehren. Eine expansive Ausgabenpolitik würde die gegenwärtige Inflation weiter anheizen. Damit stiegen dann nicht nur die Preise, sondern auch die Zinsen müssten von der EZB zur Eindämmung der Inflation weiter angehoben werden. Deutschland drohe dann in einen Teufelskreis aus Zinssteigerungen und Überschuldung zu geraten, aus dem wir uns nur schwer befreien könnten, warnte der Wirtschaftsrat.
Union: Karlsruher Urteil ist "Riesen-Klatsche" für Ampel
Die Union hat das Karlsruher Urteil zum Nachtragshaushalt 2021 als Niederlage für die gesamte Haushaltspolitik der Regierung gewertet. "Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, das kann man nicht anders sagen, ist eine Riesen-Klatsche für die Ampel - nicht nur haushaltspolitisch, was den Nachtragshaushalt angeht, sondern diese Entscheidung wirkt sich aus auf die gesamte Haushaltspolitik der Ampel", sagte Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg (CDU) dem Nachrichtensender Welt. Man werde auch zu fragen haben, ob der Wirtschaftsstabilisierungsfonds durch die Entscheidung "auch verfassungsrechtlich infrage steht". Der Nachtragshaushalt sei nun "komplett rückabzuwickeln", die Mittel seien laut Verfassungsgericht anderweitig zu kompensieren. "Betroffen ist an dieser Stelle auch der Kanzler selbst", betonte Middelberg. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sei zuvor Finanzminister gewesen, und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat ihm ausdrücklich für die Ausarbeitung der Konzeption für den Nachtragshaushalt 2021 gedankt. Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nannte das Urteil "eine gigantische Klatsche für die Ampel, die jetzt ein 60-Milliarden-Loch im Haushalt hat". Der Koalition "fliegt ihre unseriöse Haushaltspolitik um die Ohren".
DIW: Urteil ist Anstoß für Reform der Schuldenbremse
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Nachtragshaushalt 2021 positiv gewertet. "Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds ist gut und sollte eine dringend benötigte Reform der Schuldenbremse anstoßen", sagte der Ökonom. "Die Versuche der Bundesregierungen in den vergangenen zwölf Jahren, die Schuldenbremse zu umgehen, haben immer absurdere Züge angenommen." Die Schuldenbremse sei nicht mehr zeitgemäß, weil sie der Politik notwendigen Spielraum nehme, um Krisen zu bekämpfen und Zukunftsinvestitionen zu tätigen. "Es sind noch genügend Gelder im Klima- und Transformationsfonds, sodass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht unmittelbar zu Problemen führen wird", meinte Fratzscher. Die Regierung werde jedoch als Konsequenz des Urteils die Schuldenbremse mindestens für ein weiteres Jahr aussetzen müssen, um die für versprochene Maßnahmen notwendigen Kredite aufnehmen zu können.
Brehm (CSU): Karlsruher Urteil Sieg für Haushaltswahrheit und -klarheit
Der finanz- und haushaltspolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Sebastian Brehm, hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Nachtragsghaushalt 2021 als "Sieg der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit und der Transparenz" bezeichnet. "Das höchste deutsche Gericht hat der rot-grün-gelben Haushaltstrickserei einen Riegel vorgeschoben und die Grenzen der Schuldenbremse klar aufgezeigt." Die Ampel-Koalition sei mit ihrem Versuch gescheitert, ihre Schulden der Vorgängerregierung zuzuschreiben und so politische Verantwortlichkeiten zu verfälschen. Die Bedeutung des Urteils gehe dabei weit über den unmittelbaren Klagegegenstand hinaus. "Sieger sind vor allem die Bürgerinnen und Bürger - und unsere Demokratie", meinte Brehm. Denn Demokratie brauche Transparenz, sonst nehme sie Schaden. Die Bundesregierung müsse "ihren Fehler jetzt korrigieren".
Ifo-Institut für Beschleunigung der Asylverfahren
Das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung hat sich dafür ausgesprochen, die Asylverfahren in Deutschland zu beschleunigen. "Dieses Ziel in den Beschlüssen der Ampel ist zu begrüßen", sagte Ifo-Forscher Panu Poutvaara. "Wer einen Anspruch auf Asyl hat, sollte die Entscheidung so schnell wie möglich bekommen. Gleichzeitig sollten aber auch unbegründete Asylanträge sehr schnell abgelehnt werden. Das könnte Geld sparen." Gleichzeitig lobte Poutvaara die geplante Pauschale von 7.500 Euro pro Kopf vom Bund an die Kommunen. Die Ifo-Forscherin Yvonne Giesing schlug laut dem Institut vor, Einwanderung als Chance zu nutzen, um zur Behebung des Arbeitskräftemangels beizutragen. Bei der geplanten Bezahlkarte gibt es laut Poutvaara aber möglicherweise ein Problem: Mit ihr könnten Asylsuchende Produkte wie Zigaretten oder teure Lebensmittel erwerben und diese dann weiterverkaufen. "Deshalb erwarte ich von der Karte nur geringe Effekte", sagte er.
Kassenärztechef rechnet mit "unkontrolliertem Krankenhaussterben"
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) befürchtet ein unkontrolliertes Krankenhaussterben. "Die Kliniken haben aus vielen Gründen finanzielle Probleme, und ohne Zweifel gibt es deutlich zu viele Häuser in Deutschland. Aber weil die Politik zu spät reagiert hat, werden wir jetzt in ein unkontrolliertes Krankenhaussterben hineinschlittern", sagte der KBV-Vorstandsvorsitzende Andreas Gassen der Neuen Osnabrücker Zeitung. "Das ist nach meiner Einschätzung nicht mehr abzuwenden." Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte sich zuversichtlich gezeigt, seine Krankenhausreform rechtzeitig auf den Weg zu bringen, um die Schließung von Kliniken zu verhindern, die weiter gebraucht werden. "Es wird auch Kliniken treffen, die zur Versorgungssicherheit als Standort besser erhalten werden sollten", sagte Gassen aber. Hier sei von Bund und Ländern "viel Zeit vergeudet" worden.
Middelberg (CDU): Lindner musste Kreditermächtigungen verfallen lassen
Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg (CDU) hat sich vor dem am Vormittag erwarteten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Nachtragshaushalt 2021 überzeugt gezeigt, dass das damalige Vorgehen der Ampel-Koalition nicht verfassungsgemäß war. "Man hätte die Kreditermächtigungen aus 2021 verfallen lassen müssen, das wäre das Einzige gewesen, was verfassungskonform gewesen wäre", sagte Middelberg im ZDF-Morgenmagazin. Im Zentrum des erwarteten Urteils steht die Frage, ob die Regierung die eigentlich zur Bekämpfung der Corona-Pandemie unter Ausnahme von der Schuldenbremse aufgenommenen Mittel von 60 Milliarden Euro später zum Klimaschutz umwidmen durfte. Dagegen hatte die CDU geklagt. "Christian Lindner hätte das auch ganz ehrlich machen können und hätte im Jahr 2022 Gelder aufnehmen können zur Bewältigung der Krisen", meinte Middelberg. "Das hat aber die Ampel nicht gemacht." Der CDU-Politiker sprach sich dafür aus, dringend benötigte Mittel durch Einsparungen im Haushalt zu erbringen, etwa beim Bürgergeld. "Wir müssen uns ehrlich machen und müssen wirklich im Haushalt umschichten", verlangte er.
Fratzscher sieht Höhe staatlicher Hilfe nicht als Problem
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hat Vermutungen zurückgewiesen, das neue Bürgergeld könnte Menschen dazu verleiten, Niedriglohnjobs zu kündigen. Im Deutschlandfunk sagte Fratzscher laut dem Sender, die große Mehrheit der Bevölkerung erlebe Arbeit als sinnstiftend und sei bereit zu arbeiten. Kritisch sehe er in diesem Zusammenhang die hohen Sozialabgaben in Deutschland. Fratzscher betonte auch, der Abstand zwischen Bürgergeld und Niedriglohn sei im Vergleich zu den letzten Jahren nicht geringer geworden. Die Union hatte die Debatte über die Höhe des Bürgergeldes angestoßen. Unions-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) hatte eine Neuausrichtung des Bürgergelds gefordert, CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hatte mehr Anreize für die Jobaufnahme und eine Kürzung der Leistungen verlangt.
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November 15, 2023 05:32 ET (10:32 GMT)