Von Hans-Joachim Koch

FRANKFURT (Dow Jones)--Mit dem Vorliegen fast aller Geschäftsberichte der DAX-Unternehmen sind jetzt auch die Auswirkungen auf die Gehälter der Vorstandsvorsitzenden sichtbar geworden. Im Durchschnitt ging die Gesamtvergütung um 28 Prozent auf 5,3 Millionen Euro zurück, der Gewinn je Aktie sogar um 45 Prozent, wie eine Studie der Unternehmensberatung HKP Group zeigt.

Damit sei die Durchschnittsvergütung so stark wie nie seit 2006 gesunken, als die Unternehmen gesetzlich zu Transparenz verpflichtet wurden. Zugleich seien erstmals die in einem Jahr geleisteten Zahlungen - der sogenannte Zufluss - unter die Zielvergütung gefallen, den Wert, der bei den variablen mehrjährigen kürzer- und langfristigen Gehaltskomponenten bei Zielerreichung fällig geworden wäre.

Weitere Erkenntnisse aus der Vergütungsstudie, gefolgt von der tabellarischen Gehaltsübersicht:


1. Höchstverdienst nicht zwangsläufig bei DAX-Unternehmen 

Der Spitzenreiter im DAX-Vergleich, Frank Appel von der Post, kommt zwar knapp über die vielfach als Obergrenze gesehenen 10 Millionen Euro. Aber die Summe bleibt deutlich hinter den fast 72 Millionen Euro für CEO Oliver Steil vom MDAX-Wert Teamviewer zurück, wo auch Finanzvorstand Stefan Gaiser gut 36 Millionen erhielt. Hintergrund waren Sonderzahlungen als Erfolgsprämie für Börsengang und Wertsteigerung des Unternehmens, geleistet von den Altaktionären, nicht von Teamviewer selbst. Auch wenn die 2020-er Überweisungen an Linde-CEO Steve Angel noch nicht bekannt sind, die 2019-er Summe von 44 Millionen, davon 35,5 Millionen Euro aus mehrjährigen Elementen, dürfte nach HKP-Schätzungen nicht erreicht werden.


2. Pandemie schlägt vielfach durch 

Eine ungünstige Gewinnentwicklung hat sich für die meisten CEOs auch beim Gehalt negativ bemerkbar gemacht. Bei den 14 DAX-Unternehmen mit einem Rückgang des Gewinns je Aktie - im Durchschnitt von 71 Prozent - sanken die Vergütungen im Mittel um 7 Prozent. Aber die Spreizung ist groß: Joachim Wenning von der Münchener Rück, Joe Kaeser von Siemens und Kasper Rorsted von Adidas verdienten 40 bzw 35 bzw 49 Prozent weniger bei einem Gewinnminus von 55 bzw 38 bzw 78 Prozent, während die Versorgerchefs Rolf Martin Schmitz von RWE und Johannes Teyssen von Eon 16 bzw 8 Prozent mehr bekamen, Folge jeweils der Langfrist-Komponenten. Andererseits profitierten die CEOs von den 8 Unternehmen mit mindestens stagnierenden Gewinnen unterproportional: Sie erhielten durchschnittlich 13 Prozent mehr bei 37 Prozent Gewinnplus.


3. Gehaltsfolgen von Corona nach dem Krisenjahr noch nicht vorbei 

Bei den durch die Pandemie belasteten Unternehmen werden die obersten Manager die Folgen auch in den kommenden Jahren zu spüren bekommen. Grund sind die langfristigen Vergütungsbestandteile, die mit einigen Jahren Verzögerung ausgezahlt werden. Damit haben viele Vorstandschefs 2020 auf der einen Seite von variablen Erfolgsprämien aus den Jahren vor 2019 profitiert. Aber das Krisenjahr wird - je nach Vertrag - noch bis 2025 ihre Einkünfte dämpfen.


4. Wird Pay for Performance erreicht? 

Aus Sicht von Michael H. Kramarsch, Managing Partner von HKP, ja. Er sieht das vergangene Jahr als Zäsur: Die Pandemie habe Spuren bei den Unternehmensgewinnen und in den kurz- und langfristigen variablen Bezügen hinterlassen. "Das ist Pay for Performance. Richtig, aber schmerzhaft. Aktionäre, Mitarbeiter und Vorstände tragen die Last gemeinsam." Auch HKP-Partnerin Regine Siepmann teilt diese Einschätzung: "Die Vergütungssysteme ... haben den krisenspezifischen Lackmustest bestanden." Sie verweist zudem auf die zahlreichen individuellen Vergütungsverzichte. Allerdings habe es auch Sonderzahlungen für besondere Leistungen in der Pandemie gegeben, so bei Adidas-CEO Rorsted gut 570.000 Euro und bei SAP-Chef Christian Klein 1,1 Millionen, jeweils mit der Verpflichtung, Aktien des eigenen Konzerns zu kaufen.


5. Lob für Transparenz jetzt und künftig - trotz Gesetzesänderung 

Auch wenn die Vergütungsberichte der DAX-Konzerne nicht nur für Fachleute mitunter schwere Kost sind, das Gesamturteil der HKP-Experten ist positiv: Unternehmen berichten deutlich mehr und besser als gesetzlich gefordert. Dazu tragen die Mustertabellen des Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) sehr stark bei. Diese wollen alle DAX-Unternehmen auch weiterhin freiwillig anwenden, so HKP, was sicher im Sinne der institutionellen Investoren sei. Denn durch eine Gesetzesänderung verlagern sich die Berichtspflichten zur Vorstandsvergütung vom HGB ins Aktiengesetz, was "erhebliche Transparenzdefizite" nach sich ziehe. Zugleich habe der DCGK die Mustertabellen gestrichen und sich als nicht zuständig für den Vergütungsausweis erklärt, so die Kritik.


6. Die Details der Auswertung in Euro und Prozent 
UNTERNEHMEN (NAME CEO)                     Gehalt +/-    Gewinn/  +/- 
.                                           2020  gg 2019 Aktie  gg 2019 
Durchschnitt                               5.319  -28%           -45% 
 
Adidas (Rorsted)                           3.714  -49%    2,21   -78% 
Allianz (Bäte)                             6.390   +7%   16,32   -13% 
BASF (Brudermüller)                        3.146   -2%   -1,15    n/a 
Bayer (Baumann)                            5.300   -3%  -10,68    n/a 
Beiersdorf (De Loecker)                    2.124  -11%    2,47   -22% 
BMW (Zipse/VV seit 16.08.2019)             5.129   n/a    5,73   -23% 
Covestro (Steilemann)                      3.764  +74%    2,48   -18% 
Daimler (Källenius/VV seit 22.05.2019)     4.143   n/a    3,39   +53% 
Deutsche Bank (Sewing)                     4.289   -3%    0,07    n/a 
Deutsche Börse (Weimer)                    5.928  +18%    5,89    +8% 
Deutsche Post (Appel)                     10.025   +3%    2,36   +13% 
Deutsche Telekom (Höttges)                 7.255  +18%    0,88    +7% 
Deutsche Wohnen (Zahn)                     3.172   -0%    4,13    +8% 
Eon (Teyssen)                              6.927   +8%    0,39   -43% 
Fresenius (Sturm)                          4.194  -30%    3,06    -9% 
Fresenius Medical Care (Powell)            8.263  +69%    3,96    +0% 
Henkel (Knobel/VV seit 01.01.2020)         4.755   n/a    3,25   -32% 
Infineon (Ploss)                           2.928  -18%    0,26   -65% 
Merck (Oschmann)                           9.019  -15%    4,57   +50% 
MTU Aero Engines (Winkler)                 2.788  -14%    2,59   -69% 
Münchener Rück (Wenning)                   3.549  -40%    8,63   -55% 
RWE (Schmitz)                              5.860  +16%    1,56   -89% 
SAP (Klein (VV seit 11.10.2019))           2.218   n/a    4,35   +56% 
Siemens (Kaeser)                           9.272  -35%    4,93   -22% 
Volkswagen (Diess)                         7.703   -8%   16,60   -38% 
Vonovia (Buch)                             6.452  +11%    5,87  +173% 
=== 

- Quelle: HKP Group, Frankfurt

- Gehaltsangaben in Tausend Euro

- Berechnung auf Basis DCGK-Zuflusstabelle

- einbezogen sind ganzjährig im Amt befindliche CEO

- Gewinn je Aktie in Euro

- Veränderung in Prozent

- es fehlen Angaben zu Linde und Delivery Hero, deren Geschäfts- und Vergütungsbericht noch nicht vorliegt

- n/a = keine Angabe, bzw kein Vergleich möglich, wenn CEO 2019 nicht ganzjährig in dieser Position war bzw beim Gewinn je Aktie, wenn das Unternehmen nach einem Gewinn 2019 für 2020 einen Verlust auswies.

Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

DJG/smh/mgo

(END) Dow Jones Newswires

March 29, 2021 06:52 ET (10:52 GMT)