FRANKFURT (Dow Jones)--Die europäischen Aktienmärkte notieren am Donnerstagmittag im Minus. Gleich am Morgen ging es für die Indizes deutlich nach unten, von dem Schock konnten sie sich im Tagesverlauf nicht mehr erholen. Belastend wirkte sich das Protokoll der US-Notenbank vom Vorabend aus, das in Tonfall und Inhalt viel falkenhafter als erwartet ausgefallen war. Dort räumte die Fed ein, dass sie die inflationären Risiken in der Vergangenheit falsch eingeschätzt habe. Am Nachmittag stieg zudem die Inflation in Deutschland stärker als erwartet, so dass die Rufe lauter werden, dass auch die Europäischen Zentralbank schneller gegensteuern muss. Die Aussicht auf eine schnellere Straffung der Geldpolitik belastet nun die Aktienmärkte. Der DAX fällt 1,4 Prozent auf 16.044 Zähler. Der Euro-Stoxx-50 verliert 1,5 Prozent auf 4.326 Zähler.

Die europäischen Rentenmärkte setzen derweil angesichts steigender Zinserwartungen ihren Abwärtstrend fort.


   Inflationsrisiken weisen nach oben - EZB muss handeln 

Nachdem die deutsche Inflation entgegen den Erwartungen im Dezember weiter gestiegen ist, ist es aus Sicht von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer Zeit für die Europäische Zentralbank (EZB), den "Fuß vom Gas" zu nehmen. Es zeichne sich ab, dass die Teuerung in der Eurozone ebenfalls höher als erwartet ausfallen werde. Die Inflationsrisiken wiesen klar nach oben. Die EZB sollte dem Beispiel der US-Notenbank folgen und ihre Anleihekäufe rasch komplett einstellen und die Leitzinsen anheben. Er rechne allerdings erst für Mitte 2023 mit einer ersten Zinserhöhung, weil die EZB auf die Bedürfnisse der hoch verschuldeten Mitgliedsländer schiele.

Eine geldpolitische Wende wird auch für Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust, angesichts dieser Inflationsdaten dringlicher. Es sei zwar richtig, dass die Geldpolitik keine direkten Auswirkungen auf Energiepreise oder vorübergehende Preissteigerungen durch Angebotsengpässe habe, aber sie könne und sollte die mittelfristigen Preiserwartungen durch weniger Liquiditätszufuhr und Toleranz gegenüber leicht höheren Kapitalmarktrenditen stabilisieren. Sonst könnten sich inflationäre Prozesse verstärken.


   Scharfe Töne der US-Notenbank 

Wörtlich heißt es im am Mittwoch veröffentlichten Fed-Protokoll: "Die Teilnehmer stellten allgemein fest, dass es angesichts ihrer individuellen Aussichten für die Wirtschaft, den Arbeitsmarkt und die Inflation gerechtfertigt sein könnte, den Leitzins früher oder schneller zu erhöhen, als sie zuvor erwartet hatten". Das Argument der Arbeitsplatzschaffung fällt für die US-Notenbank inzwischen weg: Denn sowohl die Jolts-Daten zu den offenen Stellen in den USA als auch der ADP-Arbeitsmarktbericht schlugen die Markterwartungen deutlich: Sie wiesen rund eine halbe Millionen mehr neuer US-Beschäftigter aus als erwartet.


   Banken profitieren von steigenden Zinsen 

Die Finanzwerte werden im Handel als Hauptgewinner der zu erwartenden steigenden Zinsen in Folge einer strafferen Geldpolitik ausgemacht. Höhere Renditen nähmen den Margendruck von der Branche. Mit einem Plus von 0,7 Prozent stellen die Banken derzeit den stärksten Sektor in Europa. Zudem gibt es Nachrichten aus der Branche.

Für Aktien der angeschlagenen Banca Carige geht es in Mailand um 1,8 Prozent nach oben. Laut Il Messaggero soll Credit Agricole (+0,2%) ein Gebot von 1 Euro für das Kreditinstitut unterbreitet haben. Bedingung sei allerdings eine Liquiditätsspritze von 700 Millionen Euro durch die aktuellen Eigentümer. Im vergangenen Monat hat Banca Carige bereits ein Gebot von BPE Banca erhalten, welches allerdings von Banca Carige als inakzeptabel zurückgewiesen worden war.

Für Societe Generale geht es an der Pariser Börse um 1,7 Prozent nach oben. Der Kauf von Leaseplan für 4,9 Milliarden Euro durch die Fahrzeugleasingtochter ALD der Societe Generale stößt mithin auf ein positives Echo unter Anlegern. Die kombinierte Gruppe stiege zum größten Fahrzeugleasinganbieter in Europa auf. Der Sektor hat an Attraktivität gewonnen, da eine zunehmende Zahl von Kunden auf Fahrzeugkäufe verzichtet und stattdessen nach Bedarf mietet. Dieser Trend könnte wegen steigender Kosten für Autohalter in den kommenden Jahren noch an Bedeutung gewinnen. Die Bank geht von einem positiven Ergebnisbeitrag von mindestens 5 Prozent ab 2024 aus.

Unter Druck stehen auch weiter die Aktien der an der Börse hoch bewerteten Wachstumsunternehmen, sie gelten als besonders zinsempfindlich. Der Sektor der europäischen Technologiewerte notiert 2,8 Prozent im Minus, der TecDAX handelt seit Jahresbeginn bereits gut 5 Prozent im Minus. Für die Aktien der Lieferdienste und Onlinehändler im DAX wie Zalando, Delivery Hero und Hellofresh geht es weiter abwärts.


=== 
Aktienindex              zuletzt      +/- %       absolut      +/- % YTD 
Euro-Stoxx-50           4.324,94      -1,5%        -67,21          +0,6% 
Stoxx-50                3.818,30      -1,2%        -48,30             0% 
DAX                    16.056,64      -1,3%       -215,11          +1,1% 
MDAX                   35.126,67      -1,4%       -504,44          +0,0% 
TecDAX                  3.737,03      -2,4%        -91,37          -4,7% 
SDAX                   16.212,97      -2,2%       -356,96          -1,2% 
FTSE                    7.445,09      -1,0%        -71,78          +1,8% 
CAC                     7.262,78      -1,5%       -113,59          +1,5% 
 
Rentenmarkt              zuletzt                  absolut        +/- YTD 
Dt. Zehnjahresrendite      -0,11                    +0,02          +0,07 
US-Zehnjahresrendite        1,73                    +0,03          +0,22 
 
 
INDEX                    zuletzt      +/- %       absolut      +/- % YTD 
DJIA                   36.346,74      -0,2%        -60,37          +0,0% 
S&P-500                 4.708,63      +0,2%          8,05          -1,2% 
Nasdaq-Comp.           15.124,15      +0,2%         23,97          -3,3% 
Nasdaq-100             15.833,70      +0,4%         61,92          -3,0% 
 
US-Anleihen 
Laufzeit                 Rendite   Bp zu VT    Rendite VT      +/-Bp YTD 
2 Jahre                     0,87        3,2          0,84           14,0 
5 Jahre                     1,47       +4,1          1,43           21,0 
7 Jahre                     1,66       +3,5          1,63           22,4 
10 Jahre                    1,73       +2,9          1,70           22,4 
30 Jahre                    2,11       +1,2          2,10           21,2 
 
DEVISEN                  zuletzt      +/- %  Mi, 8:29 Uhr  Mo, 18:50 Uhr  % YTD 
EUR/USD                   1,1311      +0,0%        1,1300         1,1287  -0,5% 
EUR/JPY                   130,86      -0,4%        131,03         130,11  -0,0% 
EUR/CHF                   1,0390      +0,1%        1,0341         1,0371  +0,1% 
EUR/GBP                   0,8361      +0,2%        0,8349         0,8376  -0,5% 
USD/JPY                   115,71      -0,4%        115,96         115,28  +0,5% 
GBP/USD                   1,3529      -0,2%        1,3533         1,3448  -0,0% 
USD/CNH (Offshore)        6,3917      +0,3%        6,3754         6,3735  +0,6% 
Bitcoin 
BTC/USD                42.962,28      -1,1%     46.424,34      46.578,50  -7,1% 
 
 
 
ROHOEL                   zuletzt  VT-Settl.         +/- %        +/- USD  % YTD 
WTI/Nymex                  79,80      77,85         +2,5%           1,95  +6,1% 
Brent/ICE                  81,89      80,80         +1,3%           1,09  +5,1% 
 
METALLE                  zuletzt     Vortag         +/- %        +/- USD  % YTD 
Gold (Spot)             1.790,15   1.810,30         -1,1%         -20,14  -2,2% 
Silber (Spot)              22,13      22,77         -2,8%          -0,65  -5,1% 
Platin (Spot)             964,30     985,71         -2,2%         -21,41  -0,6% 
Kupfer-Future               4,33       4,41         -1,9%          -0,08  -3,0% 
=== 

Kontakt zum Autor: maerkte.de@dowjones.com

DJG/thl/raz

(END) Dow Jones Newswires

January 06, 2022 10:35 ET (15:35 GMT)