Von Michael Denzin

FRANKFURT (Dow Jones)--Interessante Wochen liegen nun vor DAX & Co. Mit Spannung erwartete Zinsentscheidungen in Europa und dann den USA, frische Nachrichten über den Anstieg der US-Inflation, garniert mit dem großen Verfalltag an den internationalen Terminbörsen, den Diskussionen um die US-Schuldenobergrenze und dazu noch urplötzlich aufgepoppte Sorgen um den US-Bankensektor.

So einen Cocktail aus Sorgen und Unsicherheit mögen Börsianer nicht. Lieber wird in solchen Fällen im Vorfeld verkauft und später wieder zurückgekauft, wenn sich der Nachrichtennebel gelichtet hat. Bis zur endgültigen Bewertung der Zinsentscheidungen dürfte daher ein volatiles Geschäft vorherrschen.


   Umfang der US-Zinserhöhung weiter völlig offen 

Denn bei allen Frühindikatoren von diversen US-Arbeitsmarktberichten bis hin zu einer Flut von Konjunktur- und Preisdaten, so ganz genau weiss noch immer keiner, wofür sich die US-Notenbanker in anderthalb Wochen letztlich entscheiden. Einige Faktoren sprechen für eine Erhöhung um 25 Basispunkte Erhöhung, andere für 50 Basispunkte.

Mal steht der Mangel an Arbeitskräften im Fokus, ein anderes Mal der dadurch entstehende Lohndruck. Nigel Green vom Vermögensverwalter deVere Group betont, dass selbst ein ganze Reihe schwächerer US-Daten vom Arbeitsmarkt allein noch kein Umdenken der Fed bewirken würden. Denn US-Notenbankpräsident Jerome Powell habe klar gesagt, dass man auf eine "Gesamtheit" von Daten achte.

Darunter werden mit Sicherheit die US-Verbraucherpreise (CPI) sein, die am kommenden Dienstag veröffentlicht werden. Den Märkten bleibt nichts anderes übrig, als die Entscheidungen der Notenbanker abzuwarten. Auch Deutsche-Bank-Stratege Jim Reid unterstreicht, sowohl 25 als auch 50 Basispunkte seien weiter im Spiel.

Bei der Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) kommenden Donnerstag seien 50 Basispunkte Erhöhung eine "ausgemachte Sache", kommentieren die Experten der Helaba. Spannender seien die Aussagen über weitere Schritte. Entscheidender für die weltweiten Finanzmärkte bleibe aber die Fed-Politik.


   Margen und Auftragseingänge könnten unter Druck geraten 

Dazu werfen viele Strategen die Frage auf, ob Jobs und Löhne wirklich die echten Inflationstreiber waren. So sieht UBS-Chefvolkswirt Paul Donovan schon seit langem die Margen-Ausweitung der Unternehmen als Preistreiber. Zahlreiche Unternehmen, die gar nicht von Energie- und Lieferkettenproblemen betroffen waren, erhöhten trotzdem ihre Verkaufspreise.

Nun könnte ein Ende dieser "Windfall-Profits" anstehen. Denn zu dem Margendruck bei Markenherstellern kommt nun noch die Kaufverweigerung der Konsumenten. Die Jahreszahlen von Nahrungsmittelherstellern wie Nestle und Unilever oder bei Haushaltsgütern von Henkel und Reckitt-Benckiser zeigten das: Die nominalen Umsätze steigen noch dank Preiserhöhungen, das Absatzvolumen aber fällt.

Für die USA sieht Stratege Albert Edwards von der Societe Generale ähnliches, ein Fall der Profitmargen könnte die USA sogar in eine Rezession treiben. Die US-Wirtschaft sei einem Boom bei den Aufträgen für langlebige Wirtschaftsgüter gefolgt: "Aber das ist vielleicht eine Illusion", warnt er. Denn adjustiert um steigende Preise zeige sich, dass der Höhepunkt der Aufträge schon im Frühjahr 2021 erfolgt sei. Seit Anfang 2022 gehe es real jedoch schon abwärts.

Vielleicht sind die Augen der Börsianer derzeit schon zu sehr auf das Thema Zinsen fixiert und lassen sich demnächst vom Thema Konjunkturabschwächung überraschen.


   Entscheidend ist nur die Positionierung davor 

"Überraschung" ist auch das Stichwort der kommenden Wochen für die Zinsentscheidungen von Fed und EZB. Denn ob sie gut oder schlecht aufgenommen werden, hängt weniger an den harten Fakten, sondern an den Positionierungen der institutionellen Marktteilnehmer im Vorfeld. Schon in den monatlichen US-Arbeitsmarktbericht wollten Hedge Fonds mit maximalen Short-Quoten bei Anleihen gehen, damit also auf einen Kursverfall setzen.

Das plötzliche Auftauchen der Silicon Valley Bank als Problem zwang dann zu kräftigen Short-Eindeckungen und addierte sich noch zu der Flucht in Sichere Häfen wie Staatsanleihen durch normale Aktienanleger. Per Saldo schossen die Kurse der Rentenpapiere nach oben. Wie diese durch eine Fluchtbewegung nach oben getriebenen Bond-Positionen dann auf ein ganz anderes Thema, nämlich Zinsschritte der Notenbanken reagieren, ist derweil völlig offen.


   Silicon Valley Bank muss als isoliertes Problem geklärt werden 

Klar ist aber, dass sich die Sorgen um die Silicon Valley Bank kommende Woche klären müssen. Entpuppen sie sich als isoliertes Risiko, würde es er Markt schnell abhaken. Sonst würden sich Zins-basierte- ständig mit Risiko-basierten Entscheidungen überlagern und kein klares Bild der Situation erlauben. Stattdessen würde die Sorge vor einer Ansteckung im Banksektor dominieren und alle Assetklassen nach unten ziehen - Erinnerungen an die US-Finanzkrise würden dann wach, bei der selbst in sicher geglaubten Geldmarktfonds plötzlich toxische Papiere lagen.

Hoffnung macht aber eine erste Einschätzung wie von Mohamed El-Erian, Berater von Allianz und Gramercy Funds: Er denkt, das systemische und das Ansteckungsrisiko (Contagion Risk) über die SVB könnten von den US-Banken leicht eingedämmt werden.

Gehen dazu die Notenbanken in Europa und den USA in den nächsten anderthalb Wochen restriktiv, aber ohne Überraschungen vor, könnte sich die spekulative Volatilität dank harter Fakten wieder beruhigen. Die Märkte könnten dann noch vor Ende März wieder in ruhigere Fahrwasser zurückkehren.

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March 10, 2023 07:37 ET (12:37 GMT)