Von Manuel Priego Thimmel

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Marktreaktion auf die geldpolitische Entscheidung der US-Notenbank gibt einen Vorgeschmack auf die kommenden Wochen. Intraday bewegte sich der DAX am Tag nach der Sitzung um 400 Punkte. Die Volatilität dürfte hoch bleiben. Die Börsen sind gerade dabei, die neuen Zeiten mit weniger Liquiditätsversorgung durch die Zentralbanken einzupreisen. Einen schwer zu kalkulierenden Risikofaktor stellt die Ukraine-Krise dar. Unterstützung kommt derweil von der Berichtssaison, diese ist bisher besser als erwartet gelaufen.

Fed-Präsident Jerome Powell hat auf der jüngsten Sitzung der US-Notenbank der Inflation den Kampf angesagt und eine Zinserhöhung im März im Prinzip vorangekündigt. Auch soll in diesem Jahr mit der Schrumpfung der im Zuge der Corona-Pandemie aufgeblähten Bilanz begonnen werden. Damit wird den Finanzmärkten zukünftig weniger Liquidität zur Verfügung stehen. Das hören Börsianer nicht gerne. Derzeit werden an den Märkten fünf Zinserhöhungen im laufenden Jahr eingepreist, für das nächste werden weitere erwartet.

Historisch betrachtet sind US-Zinswenden kein Grund, Aktien zu verkaufen. Die vergangenen vier US-Zinsanhebungszyklen (1994-1995, 1999-2000, 2004-2006, 2015-2018) hätten gemein gehabt, so die DZ Bank, dass mit der ersten Leitzinsanhebung ein Aktienaufschwung - egal aus welchen ökonomischen Gründen dieser auch lief und auch egal wie lange - eine vorübergehende Pause einlegte und sowohl der DAX als auch der S&P-500 fast immer zunächst Kursverluste erleiden mussten.


   EZB negiert weiter die Inflationsgefahren 

Obwohl in den vergangenen beiden Monaten weitere US-Zinsanhebungen am Markt eingepreist wurden, konnte die DZ Bank keinen negativen Effekt auf die Gewinnerwartungen von DAX und S&P-500 für das aktuelle und das folgende Kalenderjahr beobachten. Diese seien kontinuierlich angestiegen. Eine restriktivere US-Geldpolitik wird von den Analysten somit eher als unkritisch, wenn nicht sogar netto positiv angesehen - Inflationseindämmung schone die Unternehmensmargen.

Eine große Unbekannte in der obigen Gleichung ist allerdings die weitere Inflationsentwicklung. Nicht nur startet die US-Notenbank den Zinserhöhungszyklus von einem wesentlich höheren Inflationsniveau als in der Vergangenheit, der Preisdruck dürfte auch zunächst hoch bleiben. Viel wichtiger noch: Sollte die Inflation im zweiten Halbjahr nicht wie erwartet zurückgehen, würde sich die Fed zu einem sehr viel radikalerem Zinsvorgehen gezwungen sehen mit entsprechenden negativen Auswirkungen auf die Börsen.

Derweil negiert die EZB aus Rücksicht auf den überschuldeten Süden der Eurozone die Inflation weiter. Trotz aller Kritik dürfte die EZB am kommenden Donnerstag stillhalten. Begründen wird sie dies wohl mit den mit Omikron verbundenen Unsicherheiten. Auch dürfte sie laut Commerzbank Unterschiede zu den USA hervorheben. Diese seien dem Euroraum im Konjunkturzyklus voraus. Möglicherweise wird sie auch auf die am Mittwoch anstehenden Verbraucherpreise verweisen - hier wird mit einem deutlichen Rückgang gerechnet, allerdings vor allem wegen Sondereffekten.


   Berichtssaison und attraktive DAX-Dividendenrendite unterstützten 

Einen schwer zu fassenden Risikofaktor für die Märkte stellt die Ukraine-Krise dar. Die Rabobank vermutet, dass bei einem Einmarsch der Russen der Ölpreis auf bis zu 175 Dollar je Barrel steigen könnte. Was dies für Inflation, Wirtschaft und die Börsen bedeuten würde, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Es drohte eine Stagflation, ein im vergangenen Jahr kurz aufgetauchtes Schreckgespenst an den Märkten. Im Handel schätzt man, dass der DAX bei einem Einmarsch in einer ersten Reaktion schnell in Richtung 13.000 fallen würde.

Grundsätzliche Unterstützung erfahren die Börsen durch die laufende Berichtssaison, die sich in der kommenden Woche weiter intensivieren wird. Die bisherigen Ergebnisse der in den USA weiter fortgeschrittenen Saison für das oft schlecht geredete vierte Quartal 2021 überraschen laut der DZ Bank überwiegend positiv und unterstützen damit die These der Analysten von übertrieben pessimistischen Erwartungen. Im Schnitt hätten die veröffentlichten Unternehmensgewinne 6 Prozent über den Analysten-Prognosen gelegen.

Die oben beschriebene Gemengelage spricht für eine länger anhaltende Phase von hohen Schwankungen an den Börsen. Wie immer in den vergangenen Jahren gilt aber auch hier, Phasen hoher Volatilität bzw von Marktverwerfungen sollten für den Aufbau von Positionen genutzt werden. Eine bezahlbare Alternative zu Aktien für den Inflationsschutz gibt es nicht. In einem Meer negativer Realzinsen wirkt eine Dividendenrendite von 3 Prozent im DAX attraktiv.

Kontakt zum Autor: maerkte.de@dowjones.com

DJG/mpt/err

(END) Dow Jones Newswires

January 28, 2022 07:46 ET (12:46 GMT)