FRANKFURT (Dow Jones)--Die Chance auf weiter steigende Kurse bei DAX & Co wittern Händler in der kommenden Woche. Trotz eines Anstiegs der Kerninflation in der Eurozone nehmen die Aktienbörsen dank guter Konjunkturdaten Fahrt nach oben auf. Und das auch noch begleitet von steigenden Kursen der Anleihen, die eigentlich unter Inflationsdaten leiden sollten. Nur ein zu starker US-Arbeitsmarktbericht könnte die Stimmung verhageln.


   Gutes Zeichen: Inflationsrisiken teils eingepreist 

Wenig überrascht zeigten sich Marktteilnehmer davon, dass sich die Rentenmärkte am Donnerstag nach Vorlage unerwartet deutlich gestiegener Verbraucherpreise aus der Eurozone zunächst erholten. "Ein klares Zeichen, dass die Börsen noch negativere Daten eingepreist hatten." Die Renten-Experten der Commerzbank wiesen darauf hin, dass die aktuellen Markterwartungen nun schon ziemlich aggressiv aussähen - ein Großteil der Aufwärtsrisiken für die Inflation dürfte damit bereits in den Zinsausblick eingepreist sein.

Eine Bestätigung dafür leiten sie aus der verhaltenen Reaktion des Euro auf den Verbraucherpreisindex (CPI) der Eurozone ab. Der Hochpunkt für den Euro-Leitzins dürfte demnach bei 4 Prozent liegen. Und auch der danach vermeldete Anstieg der Erzeugerpreise (PPI) in der Eurozone wird von Anhängern dieser Interpretation als Bestätigung gewertet: Der neuerliche Preisanstieg ohne Energiekosten lag "nur" noch bei über 11 Prozent, der Markt hatte sich aber schon auf Werte um rund 18 Prozent eingestellt.


   EZB handelte zu spät - Der Druck kommt jetzt von woanders 

Per Saldo sollten sich Anleger aber fragen, ob dies tatsächlich schon eine dauerhafte Erleichterung darstellt. Denn auch Zahlen wie 11 Prozent liegen noch in meilenweiter Entfernung vom Inflationsziel der EZB von 2 Prozent. Und dass die Kernrate der Inflation in Europa sogar ohne den Einfluss von Nahrungs- und Energiepreisen schon wieder gestiegen ist auf 5,6 Prozent, warnt davor, dass eine zweite Inflationswelle die Märkte erschüttern könnte.

Marktbeobachter fürchten daher, dass die sinkenden Erzeugerpreise "viel zu spät" kommen. Denn der Druck auf die Preise komme in Deutschland nun durch extreme Lohnforderungen aus dem Service-Sektor, wie die zweistelligen Forderungen der Gewerkschaft Verdi zeigen. "Vor einem Jahr hätte man diese Zweitrundeneffekte noch verhindern können", sagte ein Stratege: "Aber die EZB hat viel zu spät gehandelt".

Die EZB stehe daher unter einem extremen Handlungsdruck, meint Ulrike Kastens, Volkswirtin vom Vermögensverwalter DWS. Der Anstieg der Kernrate auf 5,6 Prozent spiegele schon jetzt die kräftig gestiegenen Dienstleistungspreise.


   China sorgt für gute Konjunkturlaune 

Als einen der wichtigsten Gründe für die steigenden Aktienkurse führen Strategen die Wiederöffnung von Chinas Wirtschaft an. Dadurch werde der Druck auf die Lieferketten abnehmen und desinflationierend wirken. Oft übersehen wird dabei, dass China damit auch als Konkurrent und Nachfrager vor allem bei Rohstoffen auftreten wird. Allein der kräftige Sprung der Einkaufsmanager-Indizes aus China zu Wochenbeginn zeigte, wie schnell die Preise darauf reagieren: Der Rohstoff-Index in Europa sprang zeitweise um 3 Prozent nach oben. Diese erhöhten Preise werden über die Industrie dann schnell wieder zum Konsumenten zurückfinden.

Schlechte Nachrichten sind dies für die europäischen Länder und vor allem Deutschland: Der Einbruch der Auftragseingänge aus dem Ausland von 19 Prozent im Januar bei den Maschinen- und Anlagenbauern im Branchenverband VDMA lässt hier schon Übles erahnen.

Für chinesische Unternehmen und Aktien sind die Aussichten dagegen hervorragend: Anleger sollten daher genau auf den am Wochenende beginnenden Nationalen Volkskongress in China achten. Hier werden die Weichen für die gesamte Volkswirtschaft gestellt. Die Analysten von SPI Asset Management erwarten von dort neue Konjunkturstimuli für die Wirtschaft, was die Aktien weiter treiben dürfte.


   Für Dividenden-Aktien könnte die Zeit vorbei sein 

Der Blick auf Aktien von konjunkturnahen Branchen dürfte sich daher auch für Anleger in Europa und den USA lohnen. Nur ein Aktiensegment dürfte zu den Verlierern zählen - die dividendenstarken Titel. Waren sie vor Jahren in einer Nullzinsumgebung noch unverzichtbar, werden sie nun immer stärker von der Konkurrenz durch festverzinsliche Anlagen belastet.

So weisen Aktienstrategen der Commerzbank darauf hin, dass die Bundesschatzanleihen mittlerweile ein Renditeniveau von 3,25 Prozent erreicht haben. Ein attraktives Niveau für viele Anleger, vor allem wenn man bedenkt, dass der S&P-500-Index in den USA nur noch eine Dividendenrendite von rund 2 Prozent abwirft.

In Europa zeigt sich erstmals seit 15 Jahren, dass die 10-jährigen Euro-Zinssätze wieder über der Dividendenrendite des Euro-Stoxx-50 notieren. "Das ist nichts anderes als eine Zeitenwende", meint Thomas Altmann von QC Partners: "Sprüche wie 'Dividenden sind der neue Zins' haben also ausgedient".


   US-Arbeitsmarkt wieder als Zinsindikator im Fokus 

Konjunkturbullishe Anleger sollten daher kommende Woche in Richtung China blicken. Dort werden nicht nur die Weichen der Wirtschaft gestellt, sondern auch am Donnerstag die Verbraucherpreise (CPI) vorgelegt. Sie sollten tunlichst nicht negativ überraschen und das erhoffte Wirtschaftswachstum gleich wieder auffressen.

An der Zinsfront sind wieder alle Augen in Richtung US-Arbeitsmarkt gerichtet. Dort wird am Freitag der große monatliche Job-Report für Februar vorgelegt. Wie immer gilt hier, "zu gute Daten" sind schlecht für die Börsen. Denn eine Abkühlung des US-Job-Marktes würde auch zur Entspannung bei Zinserhöhungserwartungen führen.

Bei den Quartalszahlen und Jahresberichten dünnen die Kalender schon etwas aus. Daten legen unter anderem Henkel, Vivendi, Gea und Schaeffler vor. Der Schwerpunkt liegt auf Industrieaktien aus der zweiten Reihe. Notenbankentscheidungen aus den größeren Industrieländern stehen vor allem aus Australien und Kanada an.

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March 03, 2023 07:44 ET (12:44 GMT)