Von Herbert Rude

FRANKFURT (Dow Jones)--Die jüngste Rally am deutschen Aktienmarkt wird sich in der kommenden Woche voraussichtlich fortsetzen. Schließlich rechnet die ganze Welt mittlerweile mit fallenden Kursen, weshalb die negativen Erwartungen bereits vollständig in den Positionierungen umgesetzt worden sein dürften. An der Terminbörse Eurex wurden in den vergangenen Tagen fünf mal so viele Put-Optionen umgesetzt wie Call-Optionen.

Die Stimmung für Aktien der Eurozone war schon in der Umfrage vom vergangenen Wochenende auf den tiefsten Stand aller Zeiten gefallen. Und auch die US-Privatanleger, die US-Fondsmanager und die US-Börsenbriefschreiber sind nun alle pessimistisch, wie Robert Rethfeld von Wellenreiter-Invest die US-Stimmung mit Blick auf die entsprechenden Sentiment-Daten zusammenfasst.

Zugleich tut sich aber Erstaunliches: Nach dem Mini-Ausverkauf Richtung 13.200 Punkte zu Wochenbeginn ziehen die Umsätze im DAX-Future nun in die Erholung hinein an. Damit dreht sich das Bild der vergangenen Wochen um, als fallende Kurse noch von steigenden Umsätzen begleitet wurden, so wie das in einem intakten Abwärtstrend per Definition sein sollte. Mit der diametralen Veränderung des Umsatzverhaltens gibt es nun eine gute Chance, dass der Abwärtstrend im DAX zu Ende geht. Aktuell verläuft er bei etwa 14.260 Punkten.

Sollte der DAX in der kommenden Woche den Abwärtstrend brechen, könnte er zunächst das Zwischenhoch bei 14.600 anlaufen und dann den starken Widerstandsbereich zwischen 14.800 und 15.000 Punkten. Darüber versperrt die 200-Tage-Linie bei knapp 15.200 Punkten als weitere Hürde den Weg auf der Oberseite.


  Berichtssaison positiv - DAX attraktiv bewertet 

Zwar bleiben die Unsicherheiten groß, allein wegen des Kriegs in der Ukraine mit dem möglichen Gasembargo und den Lieferkettenproblemen. Hinzu kommt die Zinswende. "Der DAX kämpft mit Gegenwind aus allen Richtungen", sagt so auch Frank Klumpp, Anlagestratege der LBBW, der deshalb weiterhin zur Vorsicht rät und auf Titel aus defensiven Branchen setzt.

Andererseits zeigt Klumpp auch auf, dass der DAX nun ausgesprochen günstig bewertet ist. Der akkumulierte Gewinn sein seit Jahresbeginn um 5,6 Prozent auf umgerechnet 1.206 Punkte gestiegen. Zwar weist der LBBW-Aktienstratege darauf hin, dass die jüngsten Zahlen von Allianz, Siemens und Deutscher Telekom hier noch nicht enthalten sind. Die meisten DAX-Konzerne haben die Erwartungen an das erste Quartal aber mehr oder weniger deutlich übertroffen. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis von 11,5 sieht damit nun sehr attraktiv aus.

Und die Zinswende sollte zunächst ebenfalls eingepreist sein, vielleicht sind die Erwartungen sogar überzogen. Die USA importieren über den festen Dollar Stabilität, und das mindert die Gefahr, dass die US-Notenbank über das Ziel hinaus schießt. Die Eurozone importiert dagegen mit dem festen Dollar Wachstum, und die Zinsen kann die EZB wegen der hohen Verschuldung einiger Staaten ohnehin nicht so stark erhöhen wie eigentlich angemessen.


   Erstes Bein der Baisse vor dem Ende - aber keine Trendwende 

Insgesamt gesehen gibt es nun also gute Chancen, dass die Märkte eine mehrwöchige Rally fahren. Das erste Bein der Baisse ist ausgebildet, den Abwärtstrend dürfte der DAX in der kommenden Woche brechen und damit beenden. Eine langfristige Trendwende sollten Anleger deshalb aber nicht erwarten. Allein die Verkürzung der US-Notenbankbilanz wird die Liquiditätslage im zweiten Halbjahr deutlich verschlechtern. Die Realisierung des Liquiditätsentzugs kann von den Märkten nicht eingepreist werden, weil Liquiditätsveränderungen unmittelbar auf die Märkte ausstrahlen. Damit wird voraussichtlich spätestens im zweiten Halbjahr ein zweites Bein der Baisse ausgebildet werden.

Impulse sind mit dem Auslaufen der Berichtssaison nun wieder eher von der Makroseite zu erwarten. Hier stehen in der kommenden Woche unter anderem der US-Einzelhandelsumsatz, der Konjunkturindex der US-Notenbankfiliale in Philadelphia und die US-Industrieproduktion im Blick. Zahlen zur Industrieproduktion kommen auch aus China.

Nachzügler in der Berichtssaison ist unter anderem Daimler Truck, das Unternehmen legt am Dienstag seine Zahlen zum ersten Quartal auf den Tisch.

DJG/hru/gos

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May 13, 2022 06:20 ET (10:20 GMT)