Von Manuel Priego Thimmel

FRANKFURT (Dow Jones)--Der Warnschuss von US-Finanzministerin Janet Yellen ging nicht ungehört unter. Die Börsen reagierten mit einem scharfen, wenn auch kurzen, Abverkauf auf ihre Aussagen, dass Zinserhöhungen möglicherweise notwendig seien, um eine Überhitzung der US-Wirtschaft zu vermeiden. Später relativierte sie zwar das Gesagte, aber die Ängste vor einem Anziehen der geldpolitischen Zügel dürften zunehmen. Darauf dürften die Börsen mit einer erhöhten Volatilität reagieren.

US-Notenbank-Chef Jerome Powell hat zwar in den vergangenen Wochen immer wieder betont, dass eine Straffung der Geldpolitik für die Fed derzeit kein Thema sei, aber innerhalb der US-Notenbank scheint das Thema in der Zwischenzeit immer kontroverser diskutiert zu werden. Daneben wird sich die US-Notenbank der ungeliebten Debatte immer schwerer entziehen können, sollten die Wirtschaftsdaten in den kommenden Wochen viel besser als erwartet ausfallen.


   Chance/Risiko-Profil an den Börsen wenig attraktiv 

Stark beachtet wird auch die Inflationsentwicklung, und das nicht erst seitdem der ehemalige US-Finanzminister Larry Summers vor einem Überschießen der Preise angesichts der großzügigen Konjunkturpakete der US-Regierung gewarnt hat. Die Bekanntgabe der US-Verbraucher bzw -Erzeugerpreise in der kommenden Woche könnte diese Ängste wieder aufleben lassen. Die Commerzbank erwartet, dass die Verbraucherpreise im Kern kräftig um 0,3 Prozent gegenüber dem Vormonat gestiegen sind.

Aus Börsensicht problematisch sind vor allem die in der Zwischenzeit erreichten Kursniveaus in der Nähe der Allzeithochs. In ihrem jüngsten Finanzstabilitätsbericht warnt die US-Notenbank vor den Gefahren der großen Risiko-Bereitschaft der Anleger. Die Kombination aus hohen Bewertungen und einer hohen Unternehmensverschuldung könnte die Marktauswirkungen bei einer Risiko-Neubewertung verstärken. In anderen Worten: Bereits kleine Erschütterungen könnten für eine schärfere Korrektur an den Börsen ausreichen.

Das Chance/Risiko-Profil an den Aktienmärkten erscheint derzeit wenig attraktiv. Viel Positives ist eingepreist. Die Anleger haben die Covid-Krise de facto abgehakt, und die starke Berichtssaison für das erste Quartal sollte ebenfalls in den Kursen bereits ausreichend enthalten sein. Merck Finck hält dennoch neue Höchststände an den Börsen im zweiten Quartal für realistisch, "da die Dynamik des mit zunehmenden Öffnungen angelaufenen Aufschwungs noch immer unterschätzt wird." Allerdings dürfte es im Mai volatiler zugehen.


   Geldmengenwachstum in China ist ein Warnsignal 

Auch die Commerzbank sieht das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht, auch wenn es zunächst holpriger zugehen dürfte: "Die attraktive Dividendenrendite von 2,9 Prozent, der dynamische Anstieg der Gewinnerwartungen für das Geschäftsjahr 2021 und das starke Geldmengenwachstum von 13 Prozent im Euroraum sprechen dafür, dass der DAX - nach einer kurzfristigen Konsolidierung im Mai - bis zum August die Marke von 16.000 ins Visier nehmen wird."

Das sind zunächst einmal grundsätzlich ermutigende Perspektiven. Jedoch deuten nach Einschätzung der Commerzbank einige Warnsignale auf ein sehr volatiles zweites Halbjahr 2021 an den Aktienmärkten: die Investoren seien euphorisch, die Bewertung der Aktienmärkte sei hoch, die Inflationserwartungen stiegen stetig weiter, und das Geldmengenwachstum in China gehe deutlich zurück. Darum dürfte der DAX zum Jahresende nur noch bei 14.200 stehen, vermutet die Bank.

Kontakt zum Autor: manuel.priego-thimmel@wsj.com

DJG/mpt/raz

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May 07, 2021 07:04 ET (11:04 GMT)