FRANKFURT (Dow Jones)--Eine spannende Woche steht DAX & Co bevor. Die Berichtssaison läuft immer stärker an, ein Ende des Ukraine-Kriegs ist nicht absehbar und über das Wochenende dräuen noch weitere politische Risiken. Denn mit der Stichwahl in Frankreich um die Präsidentschaft zwischen Amtsinhaber Emmanuel Macron und seiner Herausforderin Marine Le Pen werden wichtige Weichenstellungen für Europa vorgenommen.


   Vorsicht vor Wahl in Frankreich 

Blickt man auf die jüngsten Prognosen, besteht zwar kein Risiko eines Wahlsieges von Le Pen. Schließlich liegt Macron in den Umfragen mit rund 55 Prozent vorn, der Abstand zu den 45 Prozent Wählerstimmen für Le Pen dürfte realistisch nicht aufholbar sein. Dennoch zittern Europas Politiker vor einem etwaigen Wahlsieg der rechtsgerichteten Politikerin, und die Börsen gehen zunächst in Deckung: Schließlich könnte vor allem Deutschland dann nicht mehr so reibungslos mit dem Nachbarn zur Linken umgehen. Vor allem beim Thema Energiewende könnte Le Pen die deutsche Politik vorführen. Denn ihr klares Bekenntnis zum Ausbau der Atomenergie steht in hartem Kontrast zu den parteiübergreifenden Beschlüssen in Deutschland, die wegen des Verzichts auf Atom und Kohle den Weg für russisches Gas geöffnet haben.

Dass dies nun ebenso parteiübergreifend durch US-amerikanisches Fracking-Gas ersetzt werden soll, verstärkt das internationale Kopfschütteln über den deutschen Sonderweg noch mehr. Jenseits der Politik könnte unter Le Pen aber sogar die Versorgungssicherheit der Industrie in Gefahr geraten, denn Frankreichs Bereitschaft zur Versorgung Deutschlands mit Atomstrom, sobald Wind und Sonne nicht ausreichen, dürfte drastisch nachlassen.


   Erleichterungsrally mit Macron-Sieg erwartet 

Die gute Nachricht hinter diesen Sorgen ist: Ein Wahlsieg Macrons dürfte zu einer kräftigen Erleichterungsreaktion an den Börsen führen. Vor allem in den Aktien der Versorger erwarten Händler deutliche Gewinne, da hier schon Negativszenarien eingepreist sind. Bei einem definitiven Sprung über die 14.500er-Marke hätte der DAX dann sogar seinen Abwärtstrend geknackt, was Folgekäufe auslösen dürfte.


   Gasembargo ohne Rücksicht auf Deutschland gefordert 

Sorgen muss sich Deutschland dann aber trotzdem noch über seine Freunde in Europa machen. Denn immer lauter werden die Stimmen, die Deutschland als Bremser bei einem Gasembargo gegen Russland bloßstellen. Ein solches würde die deutsche Industrie hart treffen. Als Risiko sehen Strategen, dass Deutschland diesen Forderungen nachgibt. Ein Trost für Aktionäre dürfte dann aber sein, dass ihnen der DAX auf seinem Weg in Richtung 9.000 Punkte noch viel Zeit zum Shorten ließe.


   Berichtssaison als Stütze - Oft positive Überraschungen 

Als Stütze für eine Kursrally dürfte sich aber die Berichtssaison erweisen: Denn die Zahlen der Unternehmen und vor allem ihre Ausblicke fallen zumeist deutlich optimistischer aus, als der Markt erwartet hatte. Selbst die außerordentlich hohe Inflation - wie der Anstieg der deutschen Erzeugerpreise um über 30 Prozent auf Jahressicht - kann von vielen Unternehmen bislang an den Endverbraucher weitergereicht werden. Der befürchtete Margendruck durch explodierende Einkaufspreise bleibt damit aus. Der Überraschungseffekt zeigt sich nach Händlerangaben immer wieder deutlich in prozentual hohen Kursgewinnen der Unternehmen, deren Geschäftszahlen die Erwartungen übertreffen. Unter anderem legen in Deutschland in der kommenden Woche Deutsche Bank, Linde, Software AG, MTU und Mercedes-Benz Daten vor.


  Ifo-Index und Verbraucherpreise im Blick 

Bei den Konjunkturdaten steht unter anderem der Ifo-Geschäftsklimaindex für April an. Angesichts des laufenden Krieges sind die Erwartungen aber nicht zu hoch. Insofern dürften schon leicht bessere Umfrageergebnisse eine Kurserholung an den Börsen unterstützen. Hoffnung darauf machen die bereits vorgelegten Einkaufsmanager-Indizes (PMIs). Sie fielen in fast allen Ländern Europas -und das trotz des Kriegs im Umfragezeitraum - meist besser als befürchtet aus. Besonders die kräftige Erholung des Service-Bereichs nach Corona erweist sich nun als Konjunkturstütze.

Mit den neuen deutschen Verbraucherpreisen (CPI) für April stehen weitere wichtige Daten an.

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April 22, 2022 07:42 ET (11:42 GMT)