Von Herbert Rude

FRANKFURT (Dow Jones)--Neue Rekorde voraus: Die Chancen auf ein Ende der Konsolidierung und auf eine Wiederaufnahme der Rekordjagd im DAX nehmen derzeit stark zu. Den Boden bereitet die Berichtsaison: Da die Unternehmen sogar noch besser abschneiden als erwartet, steigen die Gewinnschätzungen und die Kursziele. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis im DAX ist trotz des Kursanstiegs seit Jahresbeginn von 15,5 auf 14,4 gefallen, wie es in einer Berechnung der Commerzbank heißt. Mit dem Ende der Berichtssaison dürften nun aber zunehmend die Gewinne 2022 in den Blick geraten. Aufgrund der gerade in Europa weiterhin günstigen Wachstumsaussichten dürfte ein Gewinnanstieg um weitere 10 Prozent konservativ gerechnet sein. Das wiederum heißt, dass der DAX mit Blick auf 2022 ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von unter 13 hat. Damit ist der DAX angesichts des Zinsniveaus und auch im internationalen Vergleich günstig bewertet.

Die steigenden Gewinnschätzungen sorgen auch dafür, dass die von vielen Marktteilnehmern erwartete Sommer-Korrektur nun vermutlich doch ausbleibt. Dafür spricht auch die Marktstimmung, die sich gegen den wieder steigenden DAX noch einmal kräftig eingetrübt hat. Bei den institutionellen Anlegern ging der Bullenanteil laut der neuen Umfrage der Deutschen Börse um 12 Punkte auf nur noch 20 Prozent zurück. Bei den Privaten stieg dieser Anteil zwar um 5 Punkte auf 34 Prozent, aber auch hier sind die Bären immer noch in der Mehrzahl. Aus der Sicht des Sentiments steigt damit die Chance, dass die Marktteilnehmer die Gewichtung wieder hochfahren.

Die steigenden Gewinnschätzungen zeigen auch, dass die Analysten die Aufwärtsdynamik bei den Erträgen unterschätzt haben. Zusätzlich zum Konjunkturaufschwung schlagen sich nun auch die pandemiebedingten Investitionen in die Digitalisierung in kräftigen Effizienzgewinnen und Margen nahe oder auf Rekordniveau nieder. Diese Digitalisierungs-Dividenden - wie sie ein Marktteilnehmer nennt - treiben die Spekulation um deutliche Dividendenerhöhungen an. Während die Renditen an den Anleihenmärkten in den vergangenen Wochen wieder gefallen sind, haben Unternehmen wie Royal Dutch Shell bereits einen überraschend kräftigen Dividendenaufschlag angekündigt. Da das Schule machen könnte, ist die Chance gut, dass die Dividendenrendite im DAX trotz steigender Kurse nicht zurückgeht, sondern in der Gegend von 3 Prozent oder knapp darunter bleibt.

Damit bleibt die Frage, wie weit ein Ausbruch aus der Konsolidierung den DAX trägt. Sollte der DAX mit hohen Umsätzen, hoher Dynamik und guter Marktbreite das bisherige Allzeithoch bei gut 15.800 Punkte hinter sich lassen, könnte die nächste Aufwärtswelle den DAX in den Bereich um 17.000 Punkte tragen. Sollte der Ausbruch ohne Umsatzunterstützung mit niedriger Dynamik und schwacher Marktbreite erfolgen, könnte die Aufwärtswelle relativ schnell in die nächste Konsolidierung münden. Andererseits sehen die Index-Schwergewichte Linde, SAP und Siemens aus technischer Sicht gut aus: Das steigert die Chance auf einen nachhaltigen Ausbruch, auch wenn zum Beispiel die Auto-Aktien zunächst nicht mitlaufen sollten.


   Rennen um DAX-40 auf der Schlussgeraden 

Auf der Schlussgeraden ist seit Mittwoch das Rennen um die Aufnahme in den neuen DAX-40. Denn die nächste Rangliste nach den Schlusskursen des Monats August entscheidet über die Startzusammensetzung. Erstellt wird sie auf Basis der gewichteten Kurse der letzten 20 Handelstage im August. Airbus, Zalando, Siemens Healthineers, Symrise, Hellofresh, Porsche, Brenntag und Sartorius dürften als Aufsteiger gesetzt sein. Auch Puma dürfte der Aufstieg kaum noch zu nehmen sein, wie Achim Matzke von Commerzbank Technical Analysis and Index Research errechnet hat. Dahinter kämpfen Beiersdorf und Qiagen um den letzten Aufstiegsplatz, aktuell mit Vorteilen für Beiersdorf. Mit einem Rückstand von mehr als 7 Prozent dürften LEG Immobilien schon beinahe aus dem Rennen sein. Und Hannover Rück müsste laut Matzke etwa 20 Prozent aufholen, wegen der 20-Tage-Regelung mit jedem verstreichenden Handelstag schwieriger und vermutlich schon fast aussichtslos.

Bei den Konjunkturdaten sind schlechte Nachrichten tendenziell auch gute Nachrichten, da sie das Szenario einer strafferen Geldpolitik nach hinten verschieben. Eine nachlassende Dynamik war zuletzt in den USA und in China zu sehen. Dass Europa im Zyklus weiter hinten steht, erhöht die Chance auf eine Übergewichtung europäischer Aktien durch internationale Anleger. Im Blick stehen vor allem der Sentix-Konjunkturindex am Montag, der ZEW-Index am Dienstag sowie die US-Preisdaten am Mittwoch und am Donnerstag. Daneben wird die kommende Woche noch von der Berichtssaison dominiert, die sich damit aber auch langsam dem Ende zuneigt. Und am Montag bleiben die Börsen in Tokio und in Singapur geschlossen.

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August 06, 2021 06:00 ET (10:00 GMT)