Von Manuel Priego-Thimmel

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Börsen haben mit Aufschlägen auf schwache US-Verbraucherdaten reagiert. Das überrascht. Offenbar haben sich die Anleger darauf konzentriert, dass der Preisauftrieb im September zwar stärker als erwartet war, absolut betrachtet aber leicht abgenommen hat. Ob die Bärenmarktrally im DAX von Dauer ist, darf bezweifelt werden, denn die US-Notenbank dürfte die Zinszügel noch stärker als bislang eingepreist anziehen. Daneben steht eine schwierige Berichtssaison ins Haus.

Die Börsen brauchten eine Weile, um sich zu entscheiden. Zunächst rauschten die Kurse nach den US-Preisdaten in die Tiefe, um sich dann in einer kräftigen Gegenbewegung zur erholen. "Die Deutung der US-Inflationsdaten hat sich am Verlauf des Handels deutlich verändert. Aus dem anfänglichen Schock über das Verfehlen der Konsens-Schätzung wurde schließlich doch Freude über die rückläufige Inflationsrate", erklärt QC Partners die Marktreaktion.


   Gewinnschätzungen zu hoch 

An den Börsen hoffen nun einige, dass der DAX die Tiefstände gesehen haben könnte. "Die wichtigste Erkenntnis des gestrigen Tages für den DAX ist, dass es nicht zu einem neuen Jahrestief gekommen ist, obwohl nach den Daten und dem plötzlichen Abverkauf unter 12.000 Punkten alles dafür angerichtet war", so CMC. Dass der DAX danach sogar dynamisch nach oben gedreht habe, könnte bedeuten, dass am Tag der Deutschen Einheit vielleicht nicht nur das saisonal übliche Tief, sondern auch das Jahrestief erreicht worden sei.

Ob die Bärenmarktrally von Bestand ist, darf indes bezweifelt werden. Nach den US-Inflationsdaten ist klar, dass die US-Notenbank die Leitzinsen im November erneut um 75 Basispunkte anheben wird. Auch haben die Märkte nun damit begonnen, für Dezember einen weiteren großen Zinsschritt von 75 Basispunkten einzupreisen. Auch wurde die Erwartung an den Zinshöhepunkt im laufenden Zinserhöhungszyklus nach oben angepasst. Laut der Deutschen Bank liegt dieser nun bei fast 5 Prozent - ein Plus von 25 Basispunkten.

Hinzu kommt, dass die gerade beginnende Berichtssaison die Börsen vor Herausforderungen stellen dürfte. Dies gilt laut Merck Finck insbesondere für die Investoren europäischer Firmen. Die beiden vorangegangenen Berichtssaisons hätten noch deutlich mehr positive Überraschungen bereitgehalten als zu erwarten gewesen wäre. Viele Firmen meisterten die Energiekrise und die schwierige makroökonomische und geopolitische Großwetterlage besser als gedacht. Doch nun scheine das Potenzial für positive Überraschungen weitgehend ausgereizt.


   DAX nur optisch billig 

Zwar sei das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) im DAX deutlich auf 10 gefallen, merkt die Commerzbank an. Allerdings basiere das KGV auf der wohl zu optimistischen Erwartung, dass die DAX-Unternehmen eine Nachsteuermarge von 7,5 Prozent erzielen werden, verglichen mit Durchschnittsmargen von 4,5 Prozent. Eine Rückkehr zu dieser durchschnittlichen Gewinnmarge würde das DAX-KGV auf 16 erhöhen. Zum anderen notiere das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) des DAX mit 1,25 weiterhin über dem Niveau von 1,0 bis 1,2, welches in vergangenen Rezessionen regelmäßig erreicht worden sei.

Auch charttechnisch ist der DAX noch nicht aus dem Schneider. "Nun gilt es, das Hoch vom Dienstag vergangener Woche bei 12.675 Punkten nachhaltig zu überwinden", so CMC. Die Zuversicht der Anleger müsse jetzt so weit reifen, dass sie dieses Niveau als günstig und nicht als teuer ansehen. "Werden die 12.675 Punkte im DAX von den Anlegern allerdings als weiterhin zu teuer angesehen, streichen die Käufer die Segel und es setzen wieder Gewinnmitnahmen ein, bleibt der Abwärtstrend intakt", heißt es. Ein abermaliger Rutsch auf die Jahrestiefs ist dann jederzeit möglich.

Kontakt zum Autor: manuel.priego-thimmel@wsj.com

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October 14, 2022 07:50 ET (11:50 GMT)