Von Manuel Priego Thimmel

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Volatilität an den Börsen hat zuletzt wieder zugenommen. Die sich ausbreitenden Virus-Mutationen, die sich hinziehende Impfkampagne und die Verlängerung bei den Lockdowns werden zunehmend zum wirtschaftlichen Risiko. Das Szenario einer baldigen Normalisierung des öffentlichen Lebens verschiebt sich damit weiter nach hinten. Mehr als eine kurzfristige Korrektur der hoch bewerteten Aktienmärkte ist allerdings zumindest bislang nicht zu erwarten.

Trotz des Lockdowns ist die deutsche Wirtschaft im vierten Quartal um 0,1 Prozent gewachsen. Das ist zwar nicht viel aber immerhin keine Katastrophe. Auch die in der kommenden Woche anstehenden Wirtschaftsdaten aus den USA und China sollten sich klar im expansiven Bereich bewegen. Vor allem im verarbeitenden Gewerbe läuft es trotz der Corona-Pandemie rund. In den USA dürften im Januar sogar wieder neue Stellen geschaffen worden sein.


   Spätestens Ostern sollte Pandemie-Entspannung einsetzen 

Im Konsens wird weiter erwartet, dass spätestens bis Ostern die Lockdowns zurückgefahren werden, und sich dann auch der Dienstleistungssektor rasch wieder erholt. Bis dahin sollte auch der am meisten gefährdete Teil der Bevölkerung geimpft sein. Zu einer Neueinschätzung würde es erst dann kommen, sollten Covid-19-Mutationen auftauchen, die sich resistent gegen die Impfstoffe zeigen, oder auch ein völliges Versagen der Impfkampagne. Dann müssten die Karten neu gemischt werden, auch an den Börsen.

Unterstützung kommt auch von der gerade laufenden Berichtssaison für das vierte Quartal. Diese läuft bislang besser als von Analysten erwartet. In den USA, wo bereits rund ein Drittel aller Firmen ihre Quartalszahlen veröffentlicht haben, konnten laut Warburg rund 90 Prozent der Unternehmen die Gewinnerwartungen und rund 80 Prozent die Umsatzerwartungen übertreffen. Die Berichtssaison hat zwar bislang die Börsen nicht weiter nach oben getrieben, ist aber ein wichtiger Grund, warum es mit den Kursen nicht stärker nach unten geht.


   Kleinanleger bringen Hedgefonds in die Bredouille 

Für viele Schlagzeilen hat in den vergangenen Tagen die Kursrally von Gamestop oder Amc gesorgt. Kleinanleger hatten sich auf Internetplattformen wie Reddit organisiert, um die Aktienkurse von Pleitekandidaten in die Höhe zu treiben. Dadurch zwangen sie Hedgefonds, die in diesen Titeln auf fallende Kurse gesetzt hatten, zum teueren Eindecken ihrer Shortpositionen, was die Aktien in schwindelerregende Höhen trieb. Ein Fonds, Melvin Capital, geriet in eine finanzielle Schieflage und musste in einer Hedgefonds-Rettungsaktion vor dem Aus gerettet werden.

Dass sich David gegen Goliath an den Finanzmärkten erfolgreich durchsetzt, hat Seltenheitswert und sorgt in gewissen Kreisen für Schadenfreude. Zur Nachahmung ist die Hochrisiko-Strategie aber nicht zu empfehlen - Pleitekandidaten sind nun einmal Pleitekandidaten, deren Aktien genauso schnell kollabieren können wie sie aufgeblasen wurden. Hinzu kommt, dass die Aufsichtsbehörden dem Spuk schon sehr bald ein Ende bereiten dürften.


   Für Aktien gilt weiter TINA 

Für die Gesamtmärkte ist das Gezocke nur ein Nebenschauplatz. Begünstigt wurde die jüngste Korrektur an den Börsen durch die hohen Bewertungen an den Aktienmärkten. So liegt das KGV des DAX laut Warburg gut 20 Prozent über dem Durchschnitt seit dem Jahr 2003, der Stoxx 50 und der japanische Nikkei-Index sind gut 25 Prozent höher bewertet und der S&P-500 bzw Nasdaq 100 sogar 44 und 60 Prozent. Entscheidend aus Anlegersicht ist aber, dass Aktien relativ zu den Anleihemärkten nicht sonderlich teuer erscheinen.

"Eine Bewertungsblase würde erst dann entstehen, wenn bei einem unveränderten Aktien-KGV der Zins bzw die Rendite von Staatsanleihen deutlich ansteigt", stellt Warburg klar. Da sowohl die Europäische Zentralbank als auch die Federal Reserve auf ihren Sitzungen klargestellt haben, dass sie an ihrer expansiven Geldpolitik noch für sehr lange Zeit festhalten werden, ist davon aber nicht auszugehen. Für die Aktienmärkte bleibt es also bei TINA - there is no alternative.

Kontakt zum Autor: maerkte.de@dowjones.com

DJG/mpt/err

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January 29, 2021 07:48 ET (12:48 GMT)