Von Manuel Priego Thimmel

FRANKFURT (Dow Jones)--Hoffnung macht sich breit an den Börsen. Nach einer DAX-Rally von allein 10 Prozent im Oktober nach einem Absturz glauben einige Anleger, dass das Schlimmste überstanden sei. Gespeist wird diese Hoffnung vor allem von der Erwartung, dass die Zentralbanken demnächst eine langsamere Gangart im Zinserhöhungszyklus einlegen werden. Das hängt aber entscheidend von der weiteren Inflationsentwicklung ab. Und hier ist es zu früh, Entwarnung zu geben. Eine Gegenbewegung auf die jüngsten Kursgewinne käme alles andere als überraschend. Die besser als Vorfeld erwartet laufende Berichtssaison spricht aber zumindest zunächst gegen neue Jahrestiefs.


   Euroraum ist weit von Inflationsgipfel entfernt 

Der Wind bei den Zentralbanken scheint sich zu drehen. Die kanadische Notenbank hat auf ihrer jüngsten Sitzung den Leitzins weniger stark angehoben als von Ökonomen erwartet. Danach wurde die Pressekonferenz mit EZB-Präsidentin Christine Lagarde im Anschluss an die Zinsentscheidung vom Markt als taubenhaft interpretiert. Außerdem machten in den vergangenen Tagen Medienberichte von Fed-Watchern die Runde, laut denen die US-Notenbank den Leitzins im Dezember nur noch um 50 Basispunkte anheben könnte. Als wichtigste Zentralbank weltweit hatten die Berichte Signalwirkung an den Finanzmärkten und sorgten für Abgabedruck bei Anleiherenditen.

Dass die US-Notenbank in der kommenden Woche die Zinsen um 50 Basispunkte anheben wird, gilt als ausgemacht. Es wäre bereits der vierte große Zinsschritt in Folge. "Viel interessanter ist der mittelfristige Ausblick", so die Commerzbank. Denn nach diesem Schritt werde der obere Rand des Zielkorridors mit den dann erreichten 4 Prozent schon deutlich über der Fed-Schätzung des neutralen Niveaus liegen, den die Fed bislang bei 4,75 Prozent sieht. Diese letzte Strecke zum Zinsgipfel werde die Fed kaum mit einem Schritt zurücklegen, sondern in einigen kleineren Schritten, um eine allzu abrupte Änderung zu vermeiden.

Allerdings, schränkt die Commerzbank ein, müssten hierbei die Daten mitspielen, und zumindest bei der Inflation lasse sich das noch nicht sagen. Schließlich sei die Kernrate bei den Verbraucherpreisen im September weiter auf 6,7 Prozent gestiegen. "Es ist zwar eine Debatte darüber im Gange, ob die Inflationsdaten alle Entwicklungen zeitnah erfassen - dies steht zumindest bei der Mietinflation infrage - und eine mögliche Entspannung bei der Teuerung daher zeitverzögert anzeigen. Allerdings wird sich die Fed davor hüten, allzu rasch einer Verbesserung das Wort zu reden", heißt es seitens der Analysten.

Problematisch für die US-Notenbank ist auch der weiterhin sehr starke US-Arbeitsmarkt. Zwar ist die Zahl der offenen Stellen in den vergangenen Monaten gefallen, bleibt aber absolut betrachtet extrem hoch. Auch die Arbeitslosenquote verharrt mit 3,5 Prozent auf einem Niveau, das praktisch Vollbeschäftigung indiziert. Daran ändert auch ein erwarteter Anstieg auf 3,6 Prozent im Oktober nichts. Die Daten werden am kommenden Freitag veröffentlicht.

Weit vom Inflationsgipfel entfernt dürfte der Euroraum sein. Klar über den Erwartungen ausgefallene Verbraucherpreise für Oktober aus Nordrhein-Westfalen mahnen zur Vorsicht. In der kommenden Woche stehen dann die Preisdaten für Oktober in der Eurozone an. Hier wird mit einem Anstieg auf 10 Prozent gerechnet. Zwar sind die Energiepreise im Oktober laut der Commerzbank nur etwa halb so stark gestiegen wie im Vorjahr, was die Inflationsrate für sich genommen um 0,4 Prozentpunkte drücke. Doch dieser Effekt dürfte durch den weiteren kräftigen Anstieg der Nahrungsmittelpreise mehr als wettgemacht werden. Mit anderen Worten: Die EZB muss möglicherweise länger die Zinsen erhöhen als ihr lieb ist.


   Zeichen an den Börsen stehen auf Konsolidierung 

Wie geht es also weiter an den Aktienmärkten? Nach der Rally von mehr als 1.000 Punkten im DAX stehen die Zeichen erst einmal auf Konsolidierung. Das bereits niedrige DAX-KGV von 10 bis 11 und der bereits große Pessimismus der Investoren ließen immer wieder kräftige Zwischenerholungen erwarten, ist die Commerzbank überzeugt. Ein Rückfall auf das Jahrestief von 11.863 dürfte aber bis auf Weiteres nicht anstehen. Dafür läuft die Berichtssaison für das dritte Quartal bislang einfach zu gut. Auch die deutlich gefallenen Gaspreise sprechen nicht für einen neuen Ausverkauf. Die sind zwar zum Teil auf die sich abzeichnende Rezession zurückzuführen, zum Teil allerdings aber auch auf den bislang milden Winter.

Kontakt zum Autor: manuel.priego-thimmel@wsj.com

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October 28, 2022 06:04 ET (10:04 GMT)