FRANKFURT (Dow Jones)--Den Börsen steht eine möglicherweise wegweisende Woche für die Trends der nächsten Monate bevor. Die Akteure an den Märkten müssen sich gedanklich neu sortieren - und dass vor allem in bullischer Richtung. Denn die jüngsten Wirtschaftsdaten haben gezeigt, dass die Befürchtungen der Anleger nach unten übertrieben waren. Von den internationalen Einkaufsmanagerindizes bis hin zum deutschen Ifo-Geschäftsklimaindex zeigten die Wirtschaftsbarometer eine bessere Lage und einen zuversichtlicheren Ausblick als befürchtet.
"Armageddon wurde eingepreist, ist aber nicht gekommen", kommentierte ein Händler den Datenkranz. Und die fallenden Preise für Öl und andere Energiearten deuten zusätzlich auf eine Entspannung an der Energiefront.
Bessere Wirtschaftsaussichten dürfte mithin nun als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Zwar stehen kommende Woche zahlreiche Daten wie Revisionen der Einkaufsmanagerindizes an, aber diese dürften nur kurz darauf überprüft werden, ob sie in das Bild einer Erholung passen. Auch der monatliche US-Arbeitsmarktbericht oder BIP-Revisionen dürften im aktuellen Umfeld eher als "vergangenheitsorientiert" abgehakt werden.
Gewinnerwartungen zu negativ gesehen
An der Börse reicht schon das Auspreisen von extremen Negativszenarien bei den Gewinnerwartungen dazu, dass der rechnerische Durchschnittswert der Gewinne nach oben schnellt. Aktienbewertungen können damit auf einen Schlag attraktiver aussehen. Bleibt als offene Flanke, mit welchen Zinssätzen sich diese Gewinne in Zukunft herumschlagen müssen.
Und auch auf dieser Seite sieht es besser aus als befürchtet. Die Börse testet daher nun eine doppelt bullische Hypothese, dass nämlich die Gewinnaussichten unter- und die Zinssorgen überschätzt wurden. Sollte sich das bewahrheiten, gäbe es noch kräftiges Aufholpotenzial für den Aktienmarkt.
Diesbezüglich positive Signale kommen vor allem von Marktteilnehmern aus dem Hedge-Fonds-Bereich. Mit ihren starken Short-Eindeckungen in den verschiedensten Branchen von der Immobilienaktie Vonovia bis zum angeschlagen Versorger Uniper zeigten sie bereits, dass sie kein weiteres Abwärtspotenzial mehr sehen. Und die Experten der Societe Generale stellen fest, dass sich die seit zwei Jahren anhaltenden Kapitalabflüsse nun endlich beruhigt haben und auf den niedrigsten Stand dieser Zeit gefallen sind.
Inflationsdaten als ultimativer Bullen-Test
Mit neuen Inflationszahlen aus Deutschland, Frankreich und anderen Ländern, sowie aus der Eurozone, wird sich in der kommenden Woche zeigen, ob die Hoffnung der Aktienmärkte berechtigt ist oder verfrüht war. Die Kombination aus fallenden Energiepreisen und statistischen Basiseffekten macht aber einen geringer als befürchteten Anstieg bei den Preisen wahrscheinlich.
Bei den Verbraucherpreisen in der Eurozone wird für November mit einem Anstieg zum Vorjahr um 10,6 Prozent gerechnet. Marktteilnehmer dürften wegen der Ausbreitung der Inflation in alle Lebensbereiche aber stärker auf die Kernrate ohne Energie- und Nahrungseinfluss achten. Sie wird 5,0 Prozent höher erwartet. Eine Vier vor dem Komma könnte dann schnell für Rally-Laune sorgen. Denn die Gleichung ist einfach: Geringere Inflation bedeutet geringere Zinserhöhungen. Und geringere Zinssätze in der Zukunft erhöhten den Gegenwartswert der künftigen Unternehmensgewinne
Profiteure dürften dann vor allem die zinsempfindlichen Technologiewerte sein. Für diese ist wichtig, dass die Erwartung an US-Zinserhöhungen weiter fällt. Seit dem taubenhaft interpretierten Protokoll der jüngsten US-Notenbank-Sitzung sieht es hier gut aus. Die Erwartung an einen weiteren Zinsschritt um 75 Basispunkte liegt weiter bei lediglich 20 bis 25 Prozent. Sollten die diversen Inflationsdaten also nicht höher als prognostiziert ausfallen, dürfte es kommende Woche an den Börsen weiter nach oben gehen.
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November 25, 2022 06:48 ET (11:48 GMT)