Von Manuel Priego Thimmel

FRANKFURT (Dow Jones)--Der DAX ziert sich, die Marke von 14.000 Punkten nachhaltig herauszunehmen. Die Anleger halten sich zurück angesichts der sich verbreitenden aggressiveren Covid-19-Variante und der damit verbundenen Aussicht auf längere Lockdowns. Die Wirtschaft hält sich aber überraschend gut, und die Aussicht auf ein weiteres Konjunkturpogramm in den USA spricht für eine deutliche wirtschaftliche Erholung im weiteren Jahresverlauf. Derweil machen die Notenbanken deutlich, dass die extrem lockere Geldpolitik andauern werde.

Als Glück im Unglück beschreibt die Commerzbank die Entwicklung der deutschen Wirtschaft im vierten Quartal. Diese ist wegen der Stärke der Export-Wirtschaft wohl wider Erwarten nicht geschrumpft. Die Stärke des Verarbeitenden Gewerbes sollten auch die in der kommenden Woche anstehenden europäischen Einkaufsmanagerindizes unterstreichen, die weiter klar im expansiven Bereich erwartet werden und mithin die Schwäche im Service-Bereich ausgleichen. Die chinesische Wirtschaft dürfte derweil im vierten Quartal um knapp 6 Prozent gewachsen sein - die Zahlen kommen am Montag.


   Biden plant gigantisches neues Konjunkturprogramm 

Daten verdeutlichen, dass die globale Wirtschaft mit dem zweiten Lockdown besser klar kommt als mit dem ersten. Selbst wenn sich die Lage im ersten Quartal verschlechtern sollte, wird das die Börsen nicht größer belasten. Das geplante Stimulusprogramm des künftigen US-Präsidenten Joe Biden sieht vor, die im Dezember beschlossenen 900 Milliarden Dollar um weitere 1,9 Billionen Dollar aufzustocken. Das wären noch einmal knapp 9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, so QC Partners.

Das wird von den Zentralbanken gerne gehört, geht damit doch ein niedrigerer Handlungsdruck für sie selbst einher. Das bedeutet nicht, dass die geldpolitischen Zügel demnächst angezogen werden, etwa wegen möglicher Reflationierungserwartungen. Fed-Chef Jerome Powell hat Befürchtungen gedämpft, ein Zurückfahren der Anleihekäufe könnte angesichts der massiven Neuverschuldung durch Stimuluspakete demnächst anstehen. Damit steht ein Taper-Tantrum wie 2013 nicht zu befürchten, als die Börsen empfindlich korrigierten auf die Ankündigung reduzierter Käufe.


   Berichtssaison könnte sich als Kurstreiber erweisen 

Auch die EZB wird die Partie an den Börsen auf absehbare Zeit nicht beenden. Nach dem großen Lockerungspaket im Dezember dürften die Währungshüter auf der Sitzung am Donnerstag erst einmal still halten. Auf der jüngsten Sitzung wurde das Kaufvolumen des Pandemiekaufprogramms PEPP noch einmal um 500 auf 1.850 Milliarden Euro erhöht. Zugleich wurde eine Verlängerung bis mindestens März 2022 beschlossen. Es besteht kein Zweifel, dass die EZB das Programm notfalls erhöhen wird.

Als unerwarteter Kurstreiber könnte sich die gerade beginnende Berichtssaison erweisen. Diese wird traditionell in den USA mit der Bekanntgabe der Zahlen verschiedener Finanzinstitute eröffnet. Die Deutsche Bank stuft die Analystenerwartungen an die US-Berichtssaison als zu pessimistisch ein. Erwartet werde ein Rückgang der Unternehmensgewinne im vierten Quartal um 12 Prozent verglichen mit dem Schlussquartal 2019. Von den so genannten "early reports" hätten aber 89 Prozent der Unternehmen die Erwartungen übertroffen.


   Aktien sind teuer - aber nur absolut betrachtet 

Skeptiker verweisen immer wieder auf die hohe Bewertung an den Börsen. Absolut betrachtet ist dies sicherlich korrekt angesichts eines DAX-KGV von rund 16 und 23 im S&P-500. Aus relativer Sicht sieht die Lage aber anders aus. So liegt laut Commerzbank die erwartete DAX-Dividendenrendite mit 2,8 Prozent zwar im Bereich eines 10-Jahrestiefs. Doch diese Rendite bewege sich immer noch 240 Basispunkte über der Rendite von fünf- bis siebenjährigen Unternehmensanleihen im Euroraum.

Natürlich können die Börsen jederzeit korrigieren. Negative Überraschungen an der Viren- und Impffront etwa würden die Märkte durchschütteln genauso wie ein unerwarteter Inflationsanstieg. Die Erfahrung der vergangenen Jahre hat aber gezeigt, dass Schwächephasen Einstiegschancen stellen. Das bedeutet nicht, dass das Spiel ewig so weitergehen wird. Aber wie der ehemalige Citigroup-CEO Chuck Prince einmal sagte: "When the music stops ... things will be complicated. But as long as the music is playing, you've got to get up and dance. We're still dancing."

Kontakt zum Autor: manuel.priego-thimmel@wsj.com

DJG/mpt/flf

(END) Dow Jones Newswires

January 15, 2021 07:39 ET (12:39 GMT)