Von Manuel Priego Thimmel

FRANKFURT (Dow Jones)--Das Thema Coronakrise wird an den Finanzmärkten zunehmend vom Renditeanstieg an den Anleihemärkten abgelöst. Am Donnerstag kam es zu einem regelrechten Ausverkauf an den US-Anleihemärkten, die die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen kurzfristig Richtung 1,60 Prozent stiegen ließ. Vor allem die Geschwindigkeit des Renditeanstiegs macht Börsianern Angst. Die Zentralbanken dürften das Schlimmste allerdings zu verhindern wissen.

Im Prinzip ist der Renditeanstieg zu begrüßen. Ist er doch vor allem Ausdruck der Erwartung, dass sich die Wirtschaft im weiteren Jahresverlauf vom Corona-Schock erholen wird. Beunruhigend ist nur das rasante Tempo der anziehenden Marktzinsen. Die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen stieg auf einen Schlag um 14,5 Basispunkte. Die Analysten von Bank of America gehen davon aus, dass die Zehnjahresrendite bis Ende 2021 auf 1,75 Prozent steigen werde. Im Handel wird bereits die Marke von 2 Prozent ins Spiel gebracht.


   Markt hat erste US-Leitzinserhöhung eingepreist 

Mit dem Zinsanstieg gewinnen Anleihen relativ zu Aktien an Attraktivität. Immerhin liegt die US-Rendite der zehnjährigen nun bereits auf dem Niveau der Dividendenrendite im S&P-500. Hinzu kommt, dass Börsianer Furcht von einem zweiten Taper-Tantrum wie 2013 haben, als die US-Notenbank eine Reduzierung der Käufe von Vermögenswerten angekündigt hatte. Zwar wird Fed-Chef Jerome Powell nicht müde zu betonen, dass die Zinspolitik extrem locker bleibe. Dennoch hat der Markt in der Zwischenzeit eine erste US-Zinserhöhung in den nächsten beiden Jahren eingepreist.

Wie geht es also weiter? Möglich ist, dass ein Großteil des Renditeanstiegs bereits hinter den Märkten liegt. Die Börsen dürften sich dann schnell beruhigen und sich wieder auf die guten Wachstumsperspektiven konzentrieren. Das ist die Erwartung von Warburg. Was bliebe, wäre ein Favoritenwechsel bei einzelnen Sektoren hin zu Zyklik und Rohstoffen. Einen der Branchengewinner seit Jahresbeginn stellt der Bankensektor mit Aufschlägen von 15 Prozent in Europa - der Sektor ist Profiteur der Versteilerung der Zinskurve.


   OPEC+ könnte Börsen Schützenhilfe leisten 

Unerwartete Schützenhilfe könnte in der kommenden Woche die Gruppe Opec+ leisten. Angesichts der rasant gestiegenen Ölpreise rechnet die Commerzbank mit einer Produktionserhöhung um 500.000 Barrel pro Tag. Insbesondere Russland dürfte auf eine weitere Lockerung der Produktionsbeschränkungen pochen. Darüber hinaus wird wohl Saudi-Arabien seine freiwillige Produktionskürzung zurücknehmen. Die Beschlüsse der Gruppe+ könnten eine Entspannung beim Ölpreis und im Gefolge auch an den Anleihe- und Aktienmärkten auslösen.

Was passiert aber, wenn die Renditen dennoch weiter steigen? Bei dem aktuellen Tempo dürfte es dann nicht mehr lange dauern, bis die Notenbanken einschreiten. Anfangs werden sie es mit verbalen Interventionen zur Stärkung ihrer Forward Guidance versuchen. Sollte das nicht ausreichen, dürfte es explizit auf eine Zinskurvenkontrolle hinauslaufen. Diese hätte den Vorteil, dass allein deren Ankündigung vermutlich ausreichte, um den Aufwärtsdruck bei den Renditen zu stoppen.


   Ein Zurück wird es nur mit Systemcrash geben 

Die Börsen würden die Einführung einer Zinskurvenkontrolle feiern. Laut Rabobank wäre sie dem "Whatever it takes" des damaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi vergleichbar. Die damit verbundenen Kosten wären allerdings wie bereits damals sehr hoch. "Wie wir schon seit Jahren warnen, würde der Markt seine Funktion als Preisfindungsmechanismus zunehmend verlieren", warnen die Rabobank-Strategen. Ein Zurück wäre ohne "Systemcrash" nicht mehr möglich.

Ein Systemcrash in einigen Jahren ist aber nichts, über das sich die Märkte aktuell Sorgen machten. Weiter als sechs Monate schauen die Börsen nicht in die Zukunft. Und daher dürfte die Commerzbank recht behalten: Trotz der etwas niedrigeren Dividenden und der aktuellen Sorgen vor einer stärkeren Inflation dürfte die Rally der Aktienmärkte im ersten Halbjahr 2021 weitergehen. Der Kupferpreis mit seinem jüngsten Anstieg auf ein Zehnjahreshoch über 9.000 US-Dollar je Tonne sende weiterhin positive Signale für den konjunktursensiblen DAX aus.

Kontakt zum Autor: manuel.priego-thimmel@wsj.com

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February 26, 2021 07:46 ET (12:46 GMT)