Von Manuel Priego Thimmel

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Rally an den Börsen ist zuletzt ins Stocken geraten. Das überrascht nicht angesichts der in der Zwischenzeit erreichten Kursniveaus. Das Umfeld bleibt indes günstig: Die großen Zentralbanken werden sich mit einer Straffung der Geldpolitik Zeit lassen. Auch dürfte eine sich abzeichnende starke Berichtssaison Aktien zusätzlichen Rückenwind bieten. Korrekturen an den Börsen sind zwar jederzeit drin. Sie sollten allerdings überschaubar ausfallen.

Die kanadische Notenbank hatte vor der geldpolitischen Entscheidung der EZB den Spannungsbogen erhöht, indem sie eine Reduzierung ihrer Wertpapierkäufe ankündigte. Das sorgte für Nervosität an den Märkten. EZB-Präsidentin Lagarde machte dann aber klar, dass der EZB-Rat eine Verringerung der Käufe nicht einmal diskutiert habe. Die Wirtschaft im Euroraum habe sich noch nicht ausreichend erholt. Die Anleger dürften diese Aussagen mit Erleichterung zur Kenntnis genommen haben.


   Auch die Fed wird Kanada nicht folgen 

Am kommenden Mittwoch ist nun die US-Notenbank an der Reihe. Und auch sie wird dem kanadischen Beispiel nicht folgen, sondern vielmehr die monatlichen Anleihekäufe von 120 Milliarden Dollar bestätigen. Wie die Commerzbank anmerkt, will die US-Notenbank die Diskussion um einen Ausstieg aus ihrer lockeren Geldpolitik kleinhalten, und das trotz der gestiegenen Inflationsrisiken. Längerfristig hänge der Erfolg der Fed-Politik aber davon ab, dass die Inflation relativ gemäßigt bleibe, warnen die Analysten.

Ob die Inflation zukünftig anziehen wird, ist für die Börsianer heute kein Thema. Zumindest zum aktuellen Zeitpunkt dürfte sich Inflation als vorübergehendes Phänomen erweisen, zumindest in Europa. Das sollten auch die Wirtschaftsdaten in der kommenden Woche zeigen. Es wird erwartet, dass die europäische Wirtschaft im ersten Quartal gegenüber dem Vorquartal bereinigt um 1 Prozent geschrumpft ist. Für die deutsche Wirtschaft wird sogar ein Minus von 2,5 Prozent prognostiziert.

Ganz anders in den USA. "Die Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal werden einmal mehr zeigen, wie weit die US-Wirtschaft bei der Erholung von der Corona-Krise der Wirtschaft im Euroraum voraus ist", so die Commerzbank. Die Analysten rechnen mit einem Plus von annualisiert 5,3 Prozent bzw nicht-annualisiert 1,3 Prozent. Dabei dürften die Zahlen der zugrundeliegenden Dynamik nicht gerecht werden, stoßen doch viele Unternehmen an ihre Kapazitätsgrenzen.


   Unternehmensgewinne schlagen die Erwartungen 

Neben der Laissez-faire-Einstellung der Notenbanken liefert die Berichtssaison derzeit die besten Kaufargumente an den Börsen. Diese hat zwar gerade erst angefangen, die ersten Indikationen sind aber vielversprechend. Die Unternehmensgewinne sind gegenüber dem Vorjahr in den USA bislang um rund 60 Prozent gestiegen, wie Barclays anmerkt, in Europa haben sie sich sogar verdoppelt. 74 Prozent der europäischen Unternehmen haben die Gewinnschätzungen bislang geschlagen, in den USA sind es sogar 83 Prozent.

Das spricht für weiteres Aufwärtsmomentum an den Börsen. Natürlich sind Korrekturen angesichts von Rekordständen jederzeit möglich. Nachdem Lockdowns und steigende Renditen an den Anleihemärkten die Anleger wochenlang beunruhigt haben, geht nun das Gespenst steigender Steuern um. Es steht außer Frage, dass die Steuern angesichts von Schulden, wie man sie nur aus Kriegszeiten kennt, steigen werden. Das wird auch negativ auf die Unternehmensgewinne wirken. Noch ist aber nicht so weit, und noch ist die Börsenparty nicht zu Ende.

Kontakt zum Autor: manuel.priego-thimmel@wsj.com

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April 23, 2021 06:46 ET (10:46 GMT)