Von Herbert Rude

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Jahresanfangsrally im DAX ist zu Ende. Das zeigt der Bruch des steilen Aufwärtstrends, der bereits am Donnerstag nicht mehr zu halten war. Eine nachhaltige Trendumkehr nach unten ist zwar nicht absehbar, der Zeitpunkt für die Fortsetzung des Aufschwungs aber auch nicht. Mit der jüngsten Aufwärtswelle um 1.400 Punkte seit dem späten Dezember dürften schon viele positive Erwartungen eingepreist sein wie eine nur milde Rezession oder auch eine langsamere Dynamik bei den Zinserhöhungen. Immerhin fehlten dem DAX beim Verlaufshoch am Mittwoch nur noch knapp 7 Prozent zum Allzeithoch vom November 2021.

Dabei sind die Risiken nicht von der Hand zu weisen: die US-Zinskurve war am Mittwoch extrem invers. Damit liegt die Gefahr klar auf der Hand, dass die US-Notenbank bei den Zinserhöhungen überzieht. Immerhin dämpft die inverse Zinskurve bereits aktuell die Konjunktur erheblich. Deshalb haben die Fondsmanager in der jüngsten Umfrage der Bank of America die Geldpolitik bereits jetzt als zu restriktiv eingestuft.

Die nächste Sitzung der US-Notenbank findet erst am 31. Januar statt, die Zinsentscheidung am 1. Februar. Erwartet wird ein Schritt um 25 Basispunkte. Da es keine neuen Projektionen gibt, wird sich der Markt auf die verbalen Aussagen während der Pressekonferenz konzentrieren. In der kommenden Woche wird es zu den Spekulationen von Seiten der US-Notenbank wenig Neues geben, denn dann läuft die so genannte Black Period - die Schweigeperiode vor der Sitzung.

"Das restriktive monetäre Umfeld dürfte die Gewinnmargen-Erwartungen weiter drücken, so dass die DAX-Unternehmensgewinne 2023 schließlich um 10 Prozent fallen dürften", sagt Commerzbank-Anlagestratege Andreas Hürkamp. Er erwartet deshalb in den kommenden Monaten "nervöse Aktienmärkte mit überdurchschnittlich hohen Kursschwankungen".


   "2023 Jahr der Aktie" 

Christian Henke von IG Markets meint allerdings, ein Anstieg der US-Leitzinsen auf 5 Prozent sei bereits eingepreist, genauso wie eine milde Rezession. Er zeigt sich weiterhin zuversichtlich: die Inflation habe den Höhepunkt überwunden, die Lieferkettenprobleme entspannten sich und die Aussichten für die Weltkonjunktur hellten sich mit dem Ende der Null-Covid-Politik in China auf. Zudem seien US-Vorwahljahre meistens gute Jahre für die Börsen. "Der DAX dürfte noch in diesem Jahr zum Allzeithoch zurückkehren, möglicherweise schon zur Jahresmitte, sonst in den letzen Wochen des Jahres", so Henke. "2022 war kein Jahr der Aktie, 2023 wird eines", sagt er.

Aus technischer Sicht ist nach dem Aufwärtstrend eine normale Konsolidierung zum Abbau der überkauften Strukturen wahrscheinlich. Ein erster Unterstützungsbereich liegt bereits bei 14.850, ein weiterer bei 14.600 DAX-Punkten.


   Ifo und Einkaufsmanager mit möglichen Impulsen - und SAP kommt 

Die Berichtssaison läuft in der kommenden Woche auch in Europa richtig an: Am Mittwoch legen unter anderem ASML und Givaudan ihre Geschäftszahlen auf den Tisch, am Donnerstag SAP, Sartorius, Nokia und Diageo. Auf Hochtouren läuft die Berichtssaison bereits in den USA: Zahlen gibt es unter anderem von Intel, Microsoft, IBM, Tesla, Boeing, GE und Lockheed Martin.

Auf der Konjunkturseite wird in der kommenden Woche der Ifo-Geschäftsklima-Index am Mittwoch Aufschluss über die Stimmung der Unternehmen geben. Zuvor steht der Dienstag im Zeichen der Einkaufsmanager-Indizes - sowohl dies- als auch jenseits des Atlantiks. In den USA stehen die Veröffentlichung des Bruttoinlandsprodukts sowie der Auftragseingang für langlebige Wirtschaftsgüter auf der Agenda - beide Daten sind für Donnerstag angekündigt.

Impulse aus China sind in der kommenden Woche nicht zu erwarten: Wegen des dortigen Neujahrfests bleiben die chinesischen Märkte die gesamte Woche geschlossen.

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January 20, 2023 06:12 ET (11:12 GMT)