Von Herbert Rude

FRANKFURT (Dow Jones)--Seit Mitte Juni läuft der DAX nun schon seitwärts, und ein Ausbruch nach oben oder unten ist aktuell nicht in Sicht. Gegen eine schnelle neue Hausse-Welle spricht nun zunehmend die Saisonalität: August und September gelten als traditionell schwierige Monate. Seit 1960 hat der Dow Jones in Jahren nach der Präsidentenwahl im August durchschnittlich 1,4 Prozent verloren, so viel wie in keinem anderen Monat. Im September waren es dann noch einmal durchschnittlich 0,7 Prozent Minus.

Gegenwind kommt aus China: Dort dämpfen vor allem Einschränkungen bei der Kreditvergabe und Regulierungsmaßnahmen das Wachstum, entsprechend verschnupft zeigen sich die Börsen in Ostasien, aber auch die vom chinesischen Markt abhängigen deutschen Autohersteller gerieten bereits zeitweise ins Stottern. Die zweite Jahreshälfte könnte "noch einige unangenehme Wochen mit sich bringen", sagt Tilmann Galler vom Vermögensverwalter JP Morgan Asset Management.

"Kurzfristig scheint die Luft erst einmal raus zu sein", sagt auch Christian Henke von IG Markets. Die Saisonalität signalisiere eine Sommerflaute. Diese beginne so richtig Ende Juli and dauere statistisch betrachtet bis Anfang Oktober.

Über die kommenden Wochen hinaus ist Henke übrigens sehr optimistisch: "Der DAX zeigt sich im übergeordneten Chartbild von seiner Schokoladenseite", sagt er. Bis zum Jahresende könnte der DAX die Kletterpartie in Richtung 17.700 Punkten fortsetzen. In dieser Kursregion liege die ehemalige und aus dem Jahr 2009 stammende Aufwärtstrendlinie, die im Herbst 2018 den Bären in die Hände gefallen sei. Bei den 17.700 Punkten handele es sich um eine stichtagsbezogene Kursprognose, da die erwähnte Trendlinie linear steige.


   Wachstumsaussichten stimmen positiv - aber 15.050er Bereich im Blick 

Auch Galler bleibt übergeordnet zuversichtlich: "Grundsätzlich geht es sowohl ökonomisch als auch an den Märkten weiter aufwärts", erwartet der Kapitalmarktstratege des Vermögensverwalters. Ein hohes Gewinnwachstum bei den Unternehmen stütze die Aktienmärkte. Potenzial sieht Galler vor allem noch in Europa: "Die Fortschritte bei der Impfung und starke fiskalische Anreize über den EU-Wiederaufbaufonds schaffen ein hohes Aufholpotenzial für Europa", sagt der Ökonom. Seit Juli würden nun die ersten Tranchen des Wiederaufbaufonds ausgezahlt. In der Konsequenz könnte sich das ökonomische Momentum nun stärker von den USA hin zu Europa verschieben.

Über die schwierigen Sommermonate hinaus scheint der Weg nach oben also frei zu sein. Kurzfristig sollten Marktteilnehmer allerdings den Bereich um 15.050 in den Blick nehmen: Ein Fall unter das Zwischentief wäre aus technischer Sicht ein Indiz für eine kurzfristige Top-Bildung mit einem Abwärtspotenzial bis etwa 14.500 Punkte. Noch stärker fallende Kurse sind ohne externen Anlass unwahrscheinlich, da die Geldpolitik mit den extrem negativ Realzinsen stärkere Rückschläge voraussichtlich verhindern wird.

Unterstützt wird der DAX von der Berichtsaison: Bei den Unternehmen dominieren trotz Lieferkettenproblemen erneut die positiven Überraschungen. Die Berichtsaison läuft auch in der kommenden Woche auf vollen Touren. Auf der Makro-Seite stehen zunächst die chinesischen Einkaufsmanager-Indizes im Blick, sie dürften sich laut Commerzbank weiter abgeschwächt haben. Auch in Europa und in den USA werden die Einkaufsmanager-Indizes veröffentlicht. In Deutschland stehen zudem Daten zum Auftragseingang und zur Industrieproduktion auf der Agenda.


   Der Weg zur Vollbeschäftigung ist in den USA noch weit 

Das Highlight auf der Makro-Seite kommt wie so oft erst zum Wochenausklang mit dem US-Arbeitsmarktbericht für den Monat Juli. Volkswirte erwarten 926.000 neue Stellen außerhalb der Landwirtschaft, einen Rückgang der Arbeitslosenquote auf 5,7 von 5,9 Prozent, und einen Anstieg der Stundenlöhne um erneut 0,3 Prozent. Auch wenn die Daten so eintreffen, wird die US-Wirtschaft immer noch ein gutes Stück von der Vollbeschäftigung entfernt sein, so dass mit einer schnellen und deutlichen geldpolitischen Straffung weiterhin nicht zu rechnen ist. Bei einem Stellenaufbau von 600.000 pro Monat wären bis Jahresende von zwischenzeitlich verlorengegangenen 22,3 Millionen Jobs aber immerhin 19,2 Millionen zurückgekehrt, so die Volkswirte der Commerzbank.

DJG/hru/raz

(END) Dow Jones Newswires

July 30, 2021 06:07 ET (10:07 GMT)