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BERLIN (dpa-AFX) - Bahn- und Busfahren wird ab diesem Donnerstag wieder deutlich teurer. Und auch viele Autofahrer dürften einen bangen Blick auf die Preistafeln der Tankstellen werfen. Mit dem Ende des sogenannten Tankrabatts droht ein heftiger Anstieg der Literpreise für Benzin und Diesel. Im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) wiederum läuft das 9-Euro-Ticket aus. Für Monatstickets gelten nun wieder die alten, höheren Preise. Nachdem am Mittwoch sogar Dutzende Prominente eine Nachfolgelösung für die Sonderfahrkarte gefordert haben, deutete die Bundesregierung erstmals eine solche an.

"Volker Wissing hat etwas Bahnbrechendes erreicht, nämlich über drei Monate den Tarifdschungel in Deutschland zu lichten", sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am Mittwoch nach einer Kabinettsklausur in Meseberg mit Blick auf den Verkehrsminister, seinen Parteikollegen Wissing. "Und er hat mich davon überzeugt, dass er mit einem Bruchteil der Bundesmittel, die wir für das 9-Euro-Ticket im Jahr einsetzen würden, dass er mit einem Bruchteil der Summe in der Lage wäre, so etwas bundesweit zu realisieren, wenn die Länder mitmachen." Ähnlich hatte sich Lindner zuvor schon auf Twitter geäußert.

Ein neues Angebot im ÖPNV wird damit ein Stück wahrscheinlicher. Umwelt-, Verkehrs- und Verbraucherverbände fordern schon seit Wochen entsprechende Vorschläge von der Regierung. Am Mittwoch stimmten Dutzende Prominente mit einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in die Forderungen ein. "Nutzen Sie die Chance, geben Sie sich einen Ruck und Deutschland das 9-Euro-Ticket", zitiert der "Spiegel" aus dem Schreiben. Zu den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern gehören demnach Schauspielerin Anke Engelke, Kabarettist Torsten Sträter und Klimaaktivistin Luisa Neubauer.

Bundeskanzler Scholz hob nach der Kabinettssitzung im Meseberg hervor, dass nach den drei Monaten mit dem 9-Euro-Ticket alle den Eindruck hätten, dass viel Innovatives dabei gewesen sei - etwa auch die Einfachheit des Tickets. Er bekräftigte zugleich mit Blick auf insgesamt vorgesehene weitere Entlastungen: "Über das Gesamtkonzept, das wir miteinander vereinbaren werden, sprechen wir, wenn es fertig ist." Preis, Finanzierung, Zeitrahmen und viele weitere wichtige Details eines möglichen 9-Euro-Ticket-Nachfolgers bleiben somit völlig unklar.

Beim Sprit hingegen steht schon fest, dass es teurer wird. Der Bundesverband freier Tankstellen (BFT) erwartet ein deutliches Plus in den frühen Morgenstunden des 1. Septembers. "Ich gehe davon aus, dass wir da zunächst einen großen Preisaufschlag sehen", sagte der Verbandsvorsitzende Duraid El Obeid der Deutschen Presse-Agentur. "Im Tagesverlauf und in den kommenden Tagen wird das dann aber sicher wieder etwas abschmelzen, wenn Wettbewerbseffekte einsetzen."

Auch der ADAC rechnet mit einem deutlichen Preisaufschlag, wenn auch nicht überall gleichermaßen und nicht im vollen Umfang der Steuersenkung. Nach Angaben des Automobilclubs sind die Spritpreise schon in den vergangenen zwei Wochen deutlich gestiegen, nach langem Sinkflug und kurzer Stagnation in den Wochen zuvor.

Ein Liter Superbenzin der Sorte E10 kostete demnach am Dienstag 1,776 Euro, ein Liter Diesel 2,075 Euro. Das waren 4,2 Cent beziehungsweise 8,7 Cent mehr als in der Vorwoche sowie 0,06 und 0,07 Cent mehr als am Sonntag. "Die Mineralölwirtschaft hat sich bereits wieder ein Preispolster verschafft", sagte ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand.

Der sogenannte Tankrabatt ist eigentlich kein Rabatt, sondern eine Senkung der Energiesteuern auf Kraftstoffe auf das in der EU zulässige Mindestmaß. Ab dem 1. September gelten für Benzin und Diesel nun wieder die alten Steuersätze. Inklusive Mehrwertsteuer steigt der Preis für Superbenzin der Sorte E10 damit um 35 Cent pro Liter, für Diesel werden pro Liter 17 Cent mehr fällig.

Die niedrigeren Steuersätze galten auch für Tankstellenbetreiber - einige dürften am Donnerstag also noch günstig gekauften Sprit vorrätig haben, den sie auch entsprechend günstiger abgeben können. El Obeid geht jedoch von eher leeren Tanks aus.

Eine Verlängerung des Tankrabatts fordert der ADAC nicht, im Gegenteil. "In Zeiten knapper Kraftstoffe und des Anlasses zum Spritsparen wäre das das falsche Signal", sagte Hillebrand. Autofahrer und vor allem Berufspendler sollten auf anderem Wege entlastet werden, etwa durch eine Erhöhung der Entfernungspauschale.

Ein neues 9-Euro-Ticket, ob für 29, 49 oder 69 Euro, hat da deutlich mehr Befürworter. Das sang- und klanglose Auslaufen des Angebots zum 1. September sei die denkbar schlechteste Nachricht, sagte die Chefin des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv), Ramona Pop. "Das Ticket hat laut Untersuchungen die Inflation gedämpft, Energie eingespart, Geldbeutel und Klima entlastet und einen Impuls für die dringend nötige Verkehrswende gegeben."

Das Ende des Tickets führe nun zu einer absurden Situation, sagte Pop. "Erst hat die Politik die Leute mit einem günstigen ÖPNV-Ticket angelockt. Nun werden sie mit Preiserhöhungen abgeschreckt - schließlich haben einige Verkehrsbetriebe bereits deutliche Preiserhöhungen angekündigt." Die Bundesregierung sollte aufhören zu streiten und ein dauerhaft günstiges Ticket auf den Weg bringen, forderte die Verbraucherschützerin.

Verkehrsminister Wissing zeigte sich im Gespräch mit dem Deutschlandfunk offen für eine Nachfolgeregelung. Dafür müssten aber zuerst die Struktur des Tickets und seine Finanzierung geklärt werden - und dann der Preis. Unter diesen Voraussetzungen sei der Bund auch bereit, einen Beitrag zur Finanzierung zu leisten, sagte der Verkehrsminister. "Man kann nicht vom Bund erwarten, dass er einfach Geld auf den Tisch legt, wenn die Länder selbst keine Vorschläge haben, wie das neue Ticket aussehen soll."/toh/maa/sam/DP/stw