GENF (dpa-AFX) - Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Dutzende andere Diplomaten haben den Iran im UN-Menschenrechtsrat wegen der wachsenden Gewalt gegen friedlich Demonstrierende scharf kritisiert. Die Welt dürfe nicht tatenlos zusehen, wie "unschuldige Menschen, Mütter, Väter, Schwestern, Brüder und Kinder ermordet werden", sagte Baerbock am Donnerstag in Genf. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden.

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, sprach von einer Tyrannei im Iran und rief die Regierung auf, die Gewalt umgehend zu unterbinden. Nach Angaben seines Büros sind seit Beginn der Proteste Mitte September mehr als 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer ums Leben gekommen. Er forderte die Freilassung von mehr als 14 000 Menschen, die im Zusammenhang mit Protesten festgenommen wurden. Teilnehmer und Journalisten würden "als Agenten von Feinden und ausländischen Staaten" abgestempelt. Das sei das typische Narrativ der Tyrannei.

Auf Antrag Deutschlands und Islands sollte der Rat am Nachmittag über eine Resolution abstimmen, die eine unabhängige Untersuchung der Lage im Iran durch UN-Experten fordert. Diese müssten Beweismittel sammeln, die später vor Gerichten Bestand haben, sagte Baerbock.

Eine Vertreterin der iranischen Regierung kritisierte die westlichen Staaten als arrogante Heuchler und nannte namentlich Deutschland mehrmals. Sie verletzten die Menschenrechte der Iranerinnen und Iraner durch die Sanktionen, die viele Menschenleben kosteten, sagte Chadidscheh Karimi, stellvertretende Vizepräsidentin für Frauen und Familienangelegenheiten. Sie hätten keine moralische Glaubwürdigkeit. Ausländische Mächte versuchten, das Land zu destabilisieren. Die Lage der Frauen im Iran sei bestens: "Sie haben gleiche Chancen in allen Bereichen des privaten und öffentlichen Lebens", sagte sie.

Menschenrechte ließen keinen Spielraum für Interpretationen, sagte Baerbock. Das Recht auf freie Meinungsäußerung sei verbrieft und gelte auch im Iran. "Der Menschenrechtsrat wurde geschaffen, um die Stimme der Menschen zu sein, deren unteilbare Rechte bei ihnen zu Hause verwehrt werden", sagte sie später vor Journalisten. "Wenn das Recht auf Souveränität missbraucht wird, um die eigenen Menschen zu unterdrücken und damit auch die Charta der Vereinten Nationen mit Füßen zu treten, müssen die Vereinten Nationen ihre Stimme erheben."

Das Bild eines kleinen iranischen Mädchens, das schreiend am Sarg ihrer Mutter im Staub kniete und in den Himmel schrie, gehe ihr unter die Haut, sagte Baerbock. Sie sei selbst auf vielen Demonstrationen gewesen, teils mit Kinderwagen. In demokratischen Länder sei es selbstverständlich, danach heil wieder nach Hause zu kommen./oe/DP/men