Zürich (awp) - Der Ausverkauf an den Börsen geht auch am Montag weiter. Immer mehr Marktteilnehmer fühlen sich mittlerweile an die Lehman-Krise von 2008 erinnert. Tatsächlich brechen die Kurse an den europäischen Finanzmärkten zum Wochenstart reihenweise ein. Der Schweizer Leitindex SMI hat seine Abgaben innerhalb der ersten zwei Stunden zeitweise auf mehr als 2 Prozent ausgebaut. Erneut stehen Finanzaktien unter massivem Abgabedruck, besonders hart trifft es die angeschlagene CS mit zweistelligen Kursverlusten. Damit ignorieren die Börsianer die Tatsache, dass sich am Wochenende in den USA eine Troika aus Fed, Finanzministerium und Aufsichtsbehörden eingeschaltet hat, um die Nerven nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB) zu beruhigen.

Es wurden weitreichende Schritte zum Schutz der Einlagen bei dem Kreditinstitut angekündigt und auch anderen Geldhäusern Hilfen zugesagt. "Lange Zeit wähnte sich der Kapitalmarkt in Sicherheit vor den Exzessen am Markt für Kryptowährungen", kommentierte ein Händler. Nun sei zumindest mittelbar eine Verknüpfung entstanden: Erst die Pleite der Silvergate Capital, jetzt die staatliche Carte Blanche für die SVB Financial. Zwar sorgt die Rettung der Einlagen des Startup-Finanzierers zunächst für eine gewisse Beruhigung, unter dem Strich seien die Ereignisse aber sehr negativ für den Finanzmarkt. "Die Art von Übernacht-Rettungs-Aktionen weckt böse Erinnerungen an die Finanzkrise von 2008."

Der SMI verliert gegen 11.00 Uhr 1,63 Prozent auf 10'590,15 Punkte, sein bisheriges Tagestief hat er zuvor bei 10'538Zähler markiert. Der VSMI, als Mass der Nervosität, zieht um deutliche 17 Prozent an.

Der 30 Titel umfassende SLI, in dem die 30 wichtigsten Aktien enthalten sind, büsst 2,06 Prozent ein auf 1680,28 Zähler und der breite SPI 1,63 Prozent auf 13'760,84 Zähler. Im SLI geben alle Aktien bis auf Givaudan und Nestlé nach.

Zu einem regelrechten Ausverkauf kommt es bei den Finanzwerten. Allen voran sacken CS-Aktien zeitweise auf ein Rekordtief bei 2,115 Franken. Aktuell geben sie um 11,5 Prozent auf 2,21 Franken nach. UBS verlieren 5,9 Prozent, Julius Bär 4,3 Prozent. Auch die Versicherer Swiss Re, Swiss Life, und Zurich rutschen um bis zu 4,3 Prozent ab.

In den hinteren Reihen setzen die kleineren Finanzwerte wie Leonteq, Swissquote, Vontobel oder EFG mit Abgaben zwischen 5,0 und 2,6 Prozent ebenfalls den Abwärtstrend vom vergangenen Freitag fort.

Mit ihrem Eingriff versuche die US-Regierung, die Krise zu isolieren und toxische Ansteckungseffekte zu vermeiden, kommentierte ein weiterer Börsianer. "Es ist aber alles andere als sicher, ob das auch funktioniert." Der Markt vermute, dass die Probleme, die bei der SVB sichtbar geworden seien, auch in anderen Bilanzen stecken, auch in jenen der ganz Grossen.  

Vor allem hätten Investoren längst eine Verknüpfung zwischen teuren staatlichen Rettungsaktionen und der damit ausgelösten Inflation hergestellt. "Der Markt steht vor einem Teufelskreis aus dem Bedarf steigender Zinsen und einem wachsenden Rezessionsrisiko."

Die allgemeine Unsicherheit setzt auch den sogenannten Wachstumswerten zu. Hier geben AMS Osram und Temenos um mehr als 5 Prozent nach. Logitech folgen mit -1,9 Prozent. VAT (-1,0%) halten sich etwas besser als der Gesamtmarkt.

Händlern zufolge sorgt die US-Investmentbank Goldman Sachs für verstärkte Zinsspekulationen. Die Experten der Grossbank gehen nämlich davon aus, dass die US-Notenbank Fed angesichts der jüngsten Entwicklungen kommende Woche die Zinsen nicht weiter erhöhen wird. Und auch bei den danach folgenden Zinssitzungen dürften die Währungshüter vorsichtig agieren.

Überdurchschnittlich deutlich abwärts geht es in dem aktuellen Szenario auch für zyklische Werte wie Richemont, ABB oder Adecco, die sich allesamt um mehr als 3 Prozent verbilligen.

Gegen den Trend im Plus halten sich aktuell lediglich die als defensiv geltenden Givaudan (+1,1%) und das Schwergewicht Nestlé (+0,1%). Roche (-0,4%) und Novartis (-0,8%) fallen weniger stark als der Gesamtmarkt.

Kursgewinne verbuchen nach Zahlen auch Hiag (+2,5%) aus der den hinteren Reihen.

hr/uh