Zürich (awp) - Der Schweizer Aktienmarkt hat den ersten Handelstag der Woche nahe am Tagestief und unter der psychologisch wichtigen 11'000er-Marke beendet. Nachdem er sich im Laufe des Tages teilweise wieder von den morgendlichen Verlusten hatte erholen können, ging es kurz vor Handelsschluss und im Sog schwacher US-Märkte nochmals deutlich bergab. Belastet hat über den ganzen Tag das Schwergewicht Roche, das in der Alzheimerforschung einen herben Rückschlag hinnehmen musste. In der Folge standen die Genussscheine des Pharmariesen auf den Verkaufslisten vieler Anleger. Da die Roche-GS im Leitindex SMI hoch gewichtet sind, drückte dies entsprechend auch den Gesamtmarkt.

Dabei wäre die Stimmung eigentlich ganz gut gewesen, wie ein Marktteilnehmer betonte. Das zeigte sich auch an den Aktienmärkten Deutschlands, Frankreichs und Grossbritanniens, die mit Gewinnen aus dem Handel gingen. Zahlreiche Unternehmen hätten letzte Woche gute Neunmonatszahlen präsentiert und die Inflationsrate in den USA sei zum zweiten Mal in Folge gesunken, betonte der Experte. "Das waren positive Faktoren, die sich auch heute noch ausgewirkt haben." Wenn China zudem nicht mehr an seiner Zero-Covid-Strategie festhalte, seien weltweit positive Auswirkungen auf die Märkte zu erwarten, sagte er. Die gute Stimmung zeigte sich Händlern zufolge auch an den Handelsvolumina, die sich etwa 10 Prozent über dem Durchschnitt der letzten zehn Tage bewegten. "Die Anleger wollen wieder mehr im Aktienmarkt aktiv sein, Gewinne realisieren und auch umschichten", sagte ein Marktteilnehmer. Und für einen Einstieg sei der Zeitpunkt aktuell günstig.

Der SMI schloss um 1,15 Prozent tiefer bei 10'999,59 Punkten. Der SLI, in dem die 30 wichtigsten Aktien enthalten und die Gewichtung der Schwergewichte gekappt ist, verlor 1,05 Prozent auf 1725,44 und der breite SPI 1,03 Prozent auf 14'109,81 Zähler. Bei Handelsschluss standen sich im SLI 19 Verlierer und elf Gewinner gegenüber.

Am stärksten gaben die Aktien von VAT (-6,3%) nach, die von einer Kurszielsenkung durch Berenberg belastet wurden. Die Titel seien mittlerweile im Vergleich mit anderen Qualitätswerten innerhalb der Branche wieder hoch bewertet, so das Verdikt der zuständigen Analystin. Zudem dürfte ihrer Einschätzung nach der Investorentag Anfang Dezember kaum Impulse liefern.

Je 4,4 Prozent büssten Sika und Straumann ein. Erstere hatten vergangenen Donnerstag deutlich zugelegt und nun einen Teil dieser Zugewinne wieder verloren.

Stark unter Druck waren zudem den ganzen Tag über die Genussscheine von Roche, die am Schluss mit einem Minus von 4,0 Prozent aus dem Handel gingen. Damit konnten sie die Verluste von zeitweise über 5 Prozent wieder etwas eingrenzen, zogen den Gesamtmarkt SMI jedoch nach unten. Der Pharmariese hat in einer Studie mit seinem Alzheimer-Kandidaten Gantenerumab die Ziele verfehlt, was Händler als herbe Enttäuschung einstufen. Als die Konkurrenten Biogen/Eisai kürzlich mit einem ähnlichen Ansatz in einer Studie erstmals über positive Ergebnisse informiert hatten, waren auch Roche um vier Prozent gestiegen. "Das waren zu viel an Vorschusslorbeeren", meint ein Händler.

Im Sog von Roche büssten zudem auch Lonza 2,7 Prozent ein. Händler verwiesen darauf, dass Lonza für Pharmafirmen Wirkstoffe herstellt. Lonza habe aber einen möglichen Gantenerumab-Auftrag gar nicht in die Guidance miteinbezogen, beschwichtigte ein Händler. Die Reaktion sei deshalb übertrieben.

Sonova (-1,4%) hatten zwar nach einem verhaltenen Start noch ins Plus gedreht, konnten diese Gewinne jedoch nicht verteidigen. Der Hörgerätehersteller hat im ersten Halbjahr 2022/23 zwar mehr Umsatz erzielt, aber der Reingewinn ging zurück, weil das Unternehmen die Preiserhöhungen nicht vollständig weitergeben konnte. Der Verlust eines grossen Auftrags sei für Sonova ein "besonderes Problem" und die Einengung der Jahresvorgaben ans untere Ende der Bandbreite eine "negative Überraschung", hiess es am Markt.

Die Aktien des Roche-Rivalen Novartis (-0,3%) drehten kurz vor Handelsschluss ebenfalls noch ins Minus, nachdem die Aktie bereits am Freitag 4 Prozent verloren hatte. Zeitweise hatte der Titel noch unter Umschichtungen aus Roche profitiert. Das dritte Schwergewicht Nestlé schloss unverändert.

Die Gewinnerliste führten AMS Osram an mit einem Plus von 3,7 Prozent. Sie profitierten von der Zielanhebung des Konkurrenten Infineon. Der deutsche Chiphersteller gab sich sehr zuversichtlich für Umsatzwachstum und Profitabilität. Dazu kamen die guten Nachrichten aus China, die der Branche laut Händlern Aufwind gaben.

In den hinteren Reihen gewannen die Aktien des Börsenneulings Accelleron 7,4 Prozent. Der Turbolader-Hersteller verzeichnet eine anhaltend gute Nachfrage und hat deshalb die Prognosen für das Geschäftsjahr 2022 erhöht. Stadler Rail (+5,5%) profitieren laut Händlern von der Empfehlung eines Finanzbloggers. Bei Polypeptide (+5,4%) berichteten Marktteilnehmer von Umschichtungen aus Lonza, losgetreten durch die Gantenerumab-Neuigkeiten.

Auf der anderen Seite der Tabelle befanden sich Interroll (-3,5%) nach einer Kurszielreduktion durch die UBS. Die Grossbank warnte vor einem hohen Investitionsbedarf.

tv/cg