Zürich (awp) - Am Schweizer Aktienmarkt haben am Dienstag Schein und Wirklichkeit auseinander geklafft. Während der Markt im Zuge einer Gegenbewegung nach dem jüngsten Ausverkauf zulegte, blieb die Stimmung unter den Anlegern an einem Tiefpunkt. Die Erholung werteten Börsianer nämlich nicht als Signal einer Wende. Grund war, dass die Notenbanker derzeit mit ihren Leitzinserhöhungen die Sorge vor einer Rezession schüren. "Vor allem befürchten die Anleger eine harte Landung der US-Wirtschaft", sagte ein Börsianer.

Er schloss derzeit nicht einmal mehr eine Stagflation aus. Von einer solchen sprechen Ökonomen, wenn die Teuerung hoch ist und die Wirtschaft nicht wächst. Dass zusammen mit den Aktienkursen auch Anleihen und Rohstoffe fielen, spreche für dieses Szenario, sagte der Marktkenner. Der Ausverkauf an den Börsen könne also kurz- bis mittelfristig noch weiter gehen. "Heute hiess es auf dem Handelsparkett aber erst einmal durchatmen und Wunden lecken", sagte er weiter.

Der SMI schloss schliesslich 0,53 Prozent höher auf 10'126.43 Punkten. Kurzzeitig hatte der Leitindex gar die 10'200er Marke genommen. Der SLI, in dem die 30 wichtigsten Aktien enthalten sind, stieg um 0,36 Prozent auf 1523,20 und der SPI um 0,48 Prozent auf 13'005,04 Punkte. Im SLI lag das Verhältnis der Gewinner zu den Verlierern schliesslich bei 2:1.

Die Gewinnerliste führten AMS Osram (+5,0%) an, die damit an ihre starke Vortagestendenz anknüpften. Im Handel war bereits am Vortag von Schnäppchenjägern die Rede gewesen. Aber auch Temenos, Logitech und VAT waren gesucht, wie Kursgewinne von bis zu 2,1 Prozent zeigten. Europaweit zählten Techwerte am Dienstag zu den grössten Gewinnern.

Gerade die Technologiebranche hat in diesem Jahr besonders stark unter den steigenden Zinsen und den zuletzt aufgeflammten Rezessionsängsten gelitten. So haben etwa AMS Osram im bisherigen Jahresverlauf nahezu 60 Prozent an Wert eingebüsst.

Unter den grössten Gewinnern waren auch die unterschiedlichsten Vertreter der Gesundheitsbranche zu finden. Lonza gewannen 1,1 Prozent. Roche (+2,2%), Sonova (+0,7%) und Novartis (+0,6%) legten ebenfalls klar zu. Einzig Alcon (-0,7%) bekundeten Mühe.

Leicht im Plus schlossen schliesslich die beiden Uhrenhersteller Richemont (+0,1%) und Swatch (+0,4%). Nachrichten gab es dabei vor allem zu Richemont. So hat ein exekutives Mitglied des Verwaltungsrats beziehungsweise ein Geschäftsleitungsmitglied der Gruppe einen grossen Block der Publikumsaktien erworben, was oft als Vertrauensbeweis an der Börse erachtet wurde. Eine Datenpanne bei der Richemont-Tochter Watchfinder.com fiel dagegen kaum ins Gewicht.

Für einige Schlagzeilen sorgten auch Sika (+0,4%). Die Bauchemiefirma soll einem Agenturbericht zufolge den Verkauf von Vermögenswerten in die Wege geleitet haben, um Bedenken von Aufsichtsbehörden bezüglich der geplante Übernahme der MBCC Group auszuräumen.

Die meisten Finanzwerte gaben derweil nach, allen voran CS (-2,9% auf 3,96 Franken). Die bereits arg geprügelte CS-Aktie schloss somit erstmals unter 4,00 Franken.

Mit Blick auf die Finanzwerte allgemein setze sich eine etwas kurzfristigere Sicht auf die jüngsten Zinserhöhungen und deren Auswirkungen auf den Finanzsektor durch, hiess es im Handel. Daher schlossen wenig erstaunlich auch UBS (-0,4%) oder etwa die Versicherungstitel Swiss Life (-1,1%) und vor allem Swiss Re (-2,1%) im Minus. Bei letzteren sorgte auch die derzeitige Hurrikan-Saison noch für einigen Gegenwind, sagte ein Händler.

Die grössten Abgaben verbuchten allerdings die SGS-Aktien, die nach einer Abstufung durch die Experten der RBC um mehr als 2,9 Prozent fielen.

In den hinteren Reihen wurden etwa die MCH-Aktien (-1,9%) gemieden. Die Messegruppe hat die Bedingungen für die geplante ordentliche Kapitalerhöhung definiert und den Bezugspreis auf 4,75 Franken festgelegt.

Idorsia (+2,1%) wiederum besorgte sich über einen Sale-and-Leaseback-Deal 164 Millionen Franken an Liquidität. Analysten lobten die "nicht verwässernde" Transaktion.

kw/tp