BERLIN (dpa-AFX) - Angesichts hoher Lebensmittelpreise wegen des Ukraine-Kriegs und der eskalierenden Klimakrise rufen Forscher und Hilfsorganisationen dazu auf, deutlich weniger Fleisch und Milchprodukte zu essen. Nur so könne verhindert werden, dass die Landwirtschaft immer mehr Ökosysteme zerstöre und damit Klimarisiken wie Extremwetter und Missernten zunehmen, warnten am Donnerstag unter anderem Experten von Misereor, den Vereinten Nationen und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.

Nötig seien fundamentale Änderungen in den Ernährungssystemen, sagte etwa der Direktor des UN-Welternährungsprogramms für Deutschland, Österreich und Liechtenstein, Martin Frick. "Die Zahl der akut Hungernden hat sich in den letzten drei Jahren fast verdreifacht und steht bei 345 Millionen." Armen und krisengeplagten Ländern müsse geholfen werden, eine kleinbäuerliche, nachhaltige und unabhängige Landwirtschaft aufzubauen.

In vielen Teilen der Welt sind wegen Dürre, vielen Waldbränden und anderen Klimaschäden Ernteausfälle zu erwarten, wie die Experten warnten. Trotzdem werde mehr als die Hälfte des in Deutschland geernteten Getreides an Tiere verfüttert. Auf gut 6,5 Prozent der Ackerfläche wüchsen Pflanzen für Biokraftstoffe. "Die Produktion dieser Flächen muss jetzt als Lebensmittel für Menschen genutzt werden", forderten sie.

Die Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin, Anja Bosy-Westphal, sagte, ein geringer Verzehr an tierischen und hochverarbeiteten Lebensmitteln sei auch gesünder. "Eine nachhaltige, mehr pflanzlich basierte Ernährung muss die attraktivste, günstigste und einfachste Alternative werden."

Der Agrarexperte und Vorsitzende des Beirats von Misereor, Felix Prinz zu Löwenstein, sagte, die hohen Getreidepreise könnten kurzfristig gesenkt werden, wenn in Europa die Schweinemast und damit die hohe Nachfrage nach Futtermitteln schnell und effektiv befristet gedrosselt werde - unter Entschädigung der betroffenen Betriebe.

Von der Politik forderten sie, zügig "Lenkungsabgaben" zu erheben - aber in Verbindung mit Entlastungspaketen, "damit die Nahrungsmittelpreise die wahren Kosten widerspiegeln, ärmere Haushalte aber nicht zusätzlich belastet werden"./toz/DP/jha