"Die Märkte bevorzugen eine gespaltene Regierung", sagte Anlagestratege Brian Levitt vom Vermögensverwalter Invesco. Dies dämpfe die Sorgen vor Steuererhöhungen, umfangreichen Investitionen in erneuerbare Energien oder Änderungen an der Krankenversicherung. Daher stieg der US-Standardwerteindex Dow Jones am Donnerstag um rund zwei Prozent auf 28.339 Punkte. Der breit gefasste S&P 500 und der technologielastige Nasdaq legten ähnlich stark zu.

Joe Biden, dem Herausforderer von US-Präsident Donald Trump, fehlen im Wahlgremium nur noch wenige Stimmen für den Einzug ins Weiße Haus. Seine Demokraten verfehlten jedoch ihr Ziel, neben dem Repräsentantenhaus auch im Senat die Mehrheit zu erringen. Damit sei eine strengere Regulierung der Wirtschaft vom Tisch, sagte Portfoliomanager Justin Onuekwusi vom Vermögensverwalter Legal & General. "Das ist ein riesiger Positiv-Faktor und wiegt die Wahrscheinlichkeit eines kleineren Konjunkturpakets auf." Schwindende Furcht vor Kartell-Ermittlungen verhalf großen Technologiekonzernen wie Amazon oder Apple zu Kursgewinnen von jeweils mehr als zwei Prozent.

FED ALS RETTER IN DER NOT

Zur Abfederung der Coronavirus-Folgen werde aber die US-Notenbank in die Bresche springen, sagte Chris Beauchamp, Chef-Marktanalyst des Brokerhauses IG. "Die Fed wird ihre Wertpapierkäufe wohl mit einem matten Seufzer ausweiten müssen, um die Zeit zu überbrücken, bis ein Hilfspaket der Regierung verabschiedet ist." Sie werde am Donnerstag aber noch nicht aktiv werden, prognostizierte Dirk Steffen, Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank. Ähnlich wie die Europäische Zentralbank (EZB) werde sie die Tür für neue Geldspritzen im Dezember aufstoßen.

Diese Aussicht setzte der Weltleitwährung erneut zu. Der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, fiel um 0,6 Prozent. Gleichzeitig deckten sich Anleger mit Gold ein, das sich um 2,3 Prozent auf 1947 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) verteuerte. Das Edelmetall dient häufig als Absicherung gegen Inflation.

BÖRSIANER SCHLIESSEN UNRUHEN NICHT AUS

Einige Börsianer warnten allerdings davor, angesichts des knappen US-Wahlausgangs auf eine reibungslose Machtübergabe zu vertrauen. Trump werde sich verbissen an die Macht klammern, prophezeite Naeem Aslam, Chef-Marktanalyst des Brokerhauses AvaTrade. "Wir stehen am Rande eines Bürgerkrieges und es ist nur eine Frage der Zeit, bis Trump die Pforten hierfür öffnet."

In mehreren US-Städten zogen sowohl Trump- als auch Biden-Anhänger auf die Straßen, einige von ihnen mit Waffen. Gleichzeitig brachte Trump seine Anwälte in Stellung, um die laufende Auszählung in einigen Bundesstaaten zu stoppen oder um eine Neuauszählung durchzusetzen.

QUALCOMM AUF REKORDHOCH - GM AUF ÜBERHOLSPUR

Am US-Aktienmarkt stiegen die Papiere von Qualcomm um gut 15 Prozent auf ein Rekordhoch von 148,80 Dollar, nachdem der Chip-Hersteller für das laufende Quartal einen Umsatz über Markterwartungen in Aussicht gestellt hatte. Das Unternehmen gehöre zu den Profiteuren der Umstellung auf den neuen Mobilfunkstandard 5G, für dessen Nutzung neue Mobiltelefone notwendig seien, schrieben die Analysten vom Vermögensverwalter Canaccord Genuity.

Gefragt waren auch die Titel von General Motors (GM), die sich um zwei Prozent verteuerten. Dank des reißenden Absatzes profitabler Pickups und SUV machte der Autobauer einen überraschend hohen Quartalsgewinn. Die Gewinnmarge von 15 Prozent sei beeindruckend, lobte Analyst Philippe Houchois von der Investmentbank Jefferies.