Allerdings sind diese Rechte an einer Technologie, die die Entwicklung neuer Computerchips beschleunigen und billiger machen soll, inzwischen bei einem aufstrebenden chinesischen Unternehmen aufgetaucht. Mit dem bislang öffentlich nicht bekannten Transfer sichert sich die Firma Chipuller Wissen über die Produktion sogenannter Chiplets. Dabei handelt es sich um Mini-Prozessoren in der Größe eines Sandkorns oder eines Fingernagels, die nach dem Baukasten-Prinzip zu leistungsfähigen Einheiten zusammengesetzt werden, um beispielsweise Rechner für Künstliche Intelligenz (KI) zu betreiben. Sie arbeiten dann wie die Zellen eines Gehirns zusammen. Hierzu werden hochmoderne Anlagen zur Chip-Montage ("Advanced Packaging") benötigt.

In der Halbleiterbranche gewinnt diese Technologie immer mehr an Popularität, da sich der technische und finanzielle Aufwand zur Produktion von Chips mit immer kleineren Leiterbahnen enorm erhöht hat. Da deren Breite inzwischen auf wenige Atome geschrumpft ist, stößt die Miniaturisierung auch physikalisch an ihre Grenzen. Daher setzen auch Konzern wie Apple, Intel und AMD auf Chiplets für ihre Prozessoren.

KONKURRENZ AUF AUGENHÖHE

Bei der Chiplet-Technologie lägen die USA und China gleichauf, sagt Chipuller-Verwaltungsratschef Yang Meng in einem Reuters-Interview. "Bei anderen Chip-Technologien gibt es eine beträchtliche Kluft zwischen China und den Vereinigten Staaten, Japan, Südkorea und Taiwan." Experten zufolge hinken klassische Halbleiter-Produzenten aus der Volksrepublik wie SMIC Firmen wie dem weltgrößten Auftragsfertiger TSMC aus Taiwan bei der Entwicklung mehrere Jahre hinterher.

Gleichzeitig haben die USA wegen der politischen Spannungen mit der Regierung in Peking den Export bestimmter Hochleistungschips sowie der Maschinen für deren Produktion eingeschränkt. Aus diesem Grund intensiviert China seit etwa zwei Jahren die Bemühungen um Chiplet-Technologie. Dies ergibt sich aus Hunderten Patenten in den USA und China, sowie aus staatlichen Beschaffungsunterlangen, Forschungsberichten und anderen Dokumenten, die Reuters ausgewertet hat.

PEKING VERFOLGT LANGFRISTIGE ZIELE

Mit Chiplets wolle die Volksrepublik Exportbeschränkungen umgehen, sagt Analyst Charles Shi vom Brokerhauses Needham. "Das könnte funktionieren." Im Jahr 2021 habe China offiziellen Daten zufolge Maschinen zur Montage von Computerchips im Volumen von 3,3 Milliarden Dollar importiert. Dies sei fast eine Verdoppelung im Vergleich zu 2018. Derartige Anlagen sind bislang nicht von Einfuhr-Beschränkungen betroffen.

Darüber hinaus veröffentlichen Wissenschaftler an Universitäten, die der Volksbefreiungsarmee nahestehen, immer häufiger Aufsätze zu Chiplets. Der Staat fördert diese Forschung und die Gründung entsprechender Startups mit mehreren Millionen Dollar.

Aber auch zahlreiche etablierte Firmen mischen mit: Dem Urheberrechtsspezialisten Anaqua's Acclaim zufolge hat Huawei im vergangenen Jahr mehr als 900 Chiplet-Patente angemeldet. Im Jahr 2017 seien es nur 30 gewesen. Der als Telekom-Ausrüster bekannte Konzern wollte sich dazu nicht äußern. Außerdem werden in China mit Milliardenaufwand Chiplet-Fabriken auf- oder ausgebaut.

Unter idealen Bedingungen könnten auf die Kunden abgestimmte Chiplets in drei bis vier Monaten entwickelt werden, erläutert Chipuller-Manager Yang. Allerdings sei nur ein kleiner Teil der chinesischen Packaging-Kapazitäten modern genug für die Chiplet-Herstellung.

US-BEHÖRDEN SIND HÄNDE GEBUNDEN

Anaqua's Acclaim zufolge kaufte Chipuller 28 Chiplet-Patente, die entweder zGlue oder Personen aus dem Umfeld der US-Firma gewährt wurden. Dieses Geschäft allein rechtfertige noch keine Intervention der Kommission für ausländische Investitionen in den USA CFIUS, erläutern mehrere Anwälte. Alles hänge davon ab, ob dadurch Geschäft in den Vereinigten Staaten unmittelbar betroffen sei.

Chipuller-Manager Yang betont, dass sein Unternehmen in engem Kontakt mit den US-Behörden gestanden habe und die Transaktion gesetzeskonform abgelaufen sei. Gleichzeitig unterstreicht er auf dem offiziellen Chipuller-Kanal des chinesischen Messengerdienstes WeChat die Bedeutung der Chiplet-Technologie für die Halbleiter-Industrie seines Landes. "Es ist unsere Aufgabe und Pflicht, sie nach China zurückzubringen."

(Bericht von Hakan Ersen, redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

- von Jane Lanhee Lee und Eduardo Baptista