PARIS/LONDON (awp international) - Die Zinsentscheidung der US-Notenbank Fed hat am Donnerstag auch die europäischen Börsen schwer in Mitleidenschaft gezogen. Sie folgten damit der schwachen Kursentwicklung an der Wall Street, wo sich die Verluste am Donnerstag noch ausweiteten. Die vierte US-Zinserhöhung im laufenden Jahr sei keine Überraschung gewesen, schrieb Analyst Michael Hewson vom Broker CMC Markets. Doch mit dem Ausblick auf 2019 ignoriere die Fed die Hinweise auf eine mögliche Rezession in den USA.

Der EuroStoxx 50 rutschte erstmals seit mehr als zwei Jahren vorübergehend unter die psychologisch wichtige Marke von 3000 Punkten, konnte sich am Ende aber hauchdünn wieder darüber retten: Er schloss 1,68 Prozent schwächer mit 3000,06 Punkten. Das war der niedrigste Schlusskurs seit Ende 2016. Seit Jahresbeginn hat der Index mehr als 14 Prozent eingebüsst.

Der französische Cac 40 büsste 1,78 Prozent auf 4692,46 Zähler ein. Für den britischen FTSE 100 ging es mit minus 0,80 Prozent auf 6711,93 Punkte weniger stark abwärts. Hier bremste das schwächere Pfund etwas den Verkaufsdruck. Die Bank of England hatte die Risiken eines Brexit betont und eine Eintrübung des konjunkturellen Ausblicks konstatiert. Mit einem schwächeren Pfund können sich die Exportchancen britischer Unternehmen verbessern.

Die Fed hatte am Mittwochabend den Leitzins erwartungsgemäss ein weiteres Mal angehoben, erwartet für 2019 aber nur noch zwei Zinsanhebungen. Im September waren es noch drei Anhebungen gewesen. Auch für das Wirtschaftswachstum gibt sich die Fed etwas weniger zuversichtlich als bisher. Dennoch hätten die Währungshüter offenbar kein Ohr für die Sorgen am Markt, kritisierte Experte Hewson.

Im europäischen Branchenvergleich gab es am Donnerstag nur Verlierer. Am heftigsten kamen die Aktien der Bergbaukonzerne und Rohstoffproduzenten unter die Räder: Der Subindex im marktbreiten Stoxx Europe 600 büsste 2,74 Prozent ein. Kaum besser erging es dem Index der Ölkonzerne, der angesichts wieder sinkender Ölpreise um rund zwei Prozent abrutschte. Am besten hielten sich die wenig veränderten Indizes der als defensiv geltenden Konsumgüterhersteller und Versorger.

Ein Pressebericht über eine vom US-Justizministerium eingeleitete Untersuchung gegen Airbus liess die Aktie um mehr als 4 Prozent absacken. Laut der französischen Tageszeitung "Le Monde" werfen die USA dem Luftfahrt- und Rüstungskonzern unrechtmässige Geschäftspraktiken vor. Es drohe eine Strafe in einer Höhe von mehreren Milliarden Dollar.

Daneben sorgten vor allem Unternehmen aus der dritten Reihe für Aufsehen, die sonst selten im Rampenlicht stehen. Bei Bang & Olufsen mussten die Anleger einen Kurseinbruch um gut ein Drittel verkraften, nachdem der Hersteller hochwertiger Unterhaltungselektronik die Ziele gesenkt hatte. Die Dänen rechnen nun nicht mehr mit Wachstum in diesem Jahr.

Die Aktien des französischen Biotech-Unternehmens DBV Technologies stürzten sogar um 70 Prozent ab. Für Entsetzen sorgte, dass das Unternehmen einen Zulassungsantrag für ein Mittel gegen Erdnussallergie bei Kindern bei der US-Arzneimittelbehörde FDA zurückgezogen hatte./bek/mis