PARIS/LONDON (awp international) - Europas wichtigste Aktienmärkte haben sich am Mittwoch ein wenig von dem jüngsten Rückschlag erholt. Am Vortag hatte der Leitindex der Eurozone auf dem tiefsten Stand seit November 2020 geschlossen. Am Mittag notierte der EuroStoxx 50 1,4 Prozent fester mit 3407,86 Punkten. Der französische Cac 40 zog ebenfalls um 1,4 Prozent auf 5879,05 Punkte an, während der britische FTSE 100 um 1,53 Prozent auf 7132,87 Zähler kletterte.

Die Stabilisierung blieb angesichts der bestehenden Risiken aber zaghaft. "Die Anzeichen einer Rezession verdichten sich", stellte Analyst Christian Henke vom Broker IG Markets fest. Dabei steht Europa besonders unter Druck, treffen doch "die offensichtlichen Rahmenbedingungen aus steigender Inflation und geopolitischen und wirtschaftlichen Verwerfungen durch den Krieg in der Ukraine, inklusive der drohenden Energiekrise" den Kontinent besonders stark, wie Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets betonte. So muss sich die EU nach Einschätzung von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für den Fall eines vollständigen Ausfalls von Gaslieferungen aus Russland wappnen. Damit stehen jegliche Kursgewinne auf tönernen Füssen.

Erholt präsentierten sich die Sektoren, die in den vergangenen Wochen besonders stark gefallen waren. So gehörten Einzelhandels-, Technologie- und Immobilienwerte zu den Favoriten. Selbst schlechte Nachrichten verhinderten die Gegenbewegung nicht. ASML kletterten um 2,3 Prozent, obwohl die US-Regierung Insidern zufolge auf ein Exportverbot für bestimmte Anlagen des Chipindustrieausrüsters nach China drängt. US-Offizielle hätten ein Verkaufsverbot für Anlagen älteren Typs mit der sogenannten Deep Ultraviolet-Technik (DUV) ausgesprochen, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf mit der Sache vertrauten Personen berichtete. Damit würde ein Verkaufsmoratorium für modernere Anlagen ausgeweitet werden. Auch andere Werte des Sektors wie STMicro mit drei Prozent Aufschlag waren gefragt.

Nicht ganz so stark liefen Pharma- und Chemiewerte. Die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie erwartet dieses Jahr wenig Besserung der angespannten Lage. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) rechnet bei teurer, aber ausreichender Energie- und Rohstoffversorgung mit einem Produktionsrückgang von 1,5 Prozent. Sollte es allerdings Probleme bei der Gasversorgung geben durch eine weitere Drosselung oder einen Lieferstopp Russlands, wie von einigen Experten befürchtet, könnte die Prognose hinfällig sein.

Am Ende des Feldes lagen die Bankaktien. Händler verwiesen auf die zunehmenden Rezessionsängste, die sich an der Entwicklung der Renditekurve widerspiegelten. So ist in den USA die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen unter diejenige der zweijährigen gefallen. Damit sinken auch die Zinserhöhungserwartungen. Wenn sich die konjunkturelle Lage verschlechtert, drohen zudem mehr Kreditausfälle. So fielen etwa Societe Generale um 1,7 Prozent und BNP Paribas um 0,3 Prozent.

Unter den Einzelwerten stach die Just-Eat-Takeaway-Aktie mit 18,7 Prozent Aufschlag hervor. Amazon hatte sich Rechte zum Erwerb von Anteilen des US-amerikanischen Lieferdienstes Grubhub gesichert. Für einen Deal zur Vermarktung des Abo-Modells Grubhub+ bekommt Amazon zunächst Optionen für eine zweiprozentige Beteiligung an dem Essenslieferdienst, wie die Grubhub-Mutter Just Eat Takeaway mitteilte. Amazon kann die Optionen auf bis zu 15 Prozent des verwässerten Stammkapitals erweitern./mf/mis