PARIS/LONDON (awp international) - Die europäischen Aktienmärkte haben am Freitag wieder nachgeben und damit die Erholung der seit der Wochenmitte erst einmal beendet. Der EuroStoxx 50 gab am späten Vormittag um 1,4 Prozent auf 3871,26 Punkte nach. Der französische Cac 40 sank unterdessen um 1,39 Prozent auf 6621,26 Punkte. Der britische FTSE 100 glitt um 0,6 Prozent auf 7582,54 Punkte ab.

Nachdem starke Quartalszahlen die Börsen zuletzt gestützt hatten, brachten die jüngsten Äusserungen der US-Währungshüter eine kalte Dusche für die Märkte. "Der Chef der US-Notenbank Fed, Jerome Powell, sprach am Vortag aus, was viele schon wussten, aber dennoch nicht hören wollte, an 50 Basispunkten Zinserhöhung im Mai führt nun wohl kein Weg mehr vorbei," stellte Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets fest.

Zur Bekämpfung der Inflation sei dieser Schritt zwar dringend geboten, er mache die Aktienmärkte aber auch unattraktiver. Sollte sich die Europäische Zentralbank im Laufe des Jahres an die US-Geldpolitik anpassen, dürfte es ein ungemütliches Jahr 2022 für die Börsen werden.

Die soliden Einkaufsmanagerindizes für den Euroraum deutete Volkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank unterdessen als Hinweis auf die bestehende Inflationsproblematik. "Aufgrund der stark steigenden Produzentenpreise platzieren viele Betriebe noch schnell Bestellungen bei ihren Lieferanten, ehe es zu weiteren Preisanhebungen kommt."

An der Spitze der Verlierer standen die Ölwerte, die damit auf die nachgebenden Notierungen am Ölmarkt reagierten. "Die Ölpreise stehen vor einem Wochenverlust von rund vier Prozent, was gleichbedeutend mit dem dritten Wochenverlust in den letzten vier Wochen wäre", so Rohstoffanalyst Carsten Fritsch von der Commerzbank. "Dazu haben Nachfragesorgen im Zusammenhang mit der rigiden Covid-Politik in China beigetragen, die die wichtige Wirtschaftsmetropole Shanghai über mehrere Wochen zu paralysieren droht." Die stark steigenden Anleiherenditen, der feste US-Dollar und fallende Aktienmärkte sorgten ebenfalls für Gegenwind.

Auf wenig Gegenliebe stiessen die Zahlen von Kering , die den Luxusgütersektor nach unten zogen. Der französische Konzern hatte den Umsatz im ersten Quartal zwar um mehr als ein Viertel gesteigert. Gebremst wurde das Wachstum aber von den erneuten Lockdowns in einigen chinesischen Städten gegen Ende des Quartals, was vor allem die umsatzstärkste Marke Gucci belastete. Kering verloren 5,1 Prozent, LVMH 1,7 Prozent und Richemont um 2,4 Prozent.

Auch EssilorLuxottica vermochten sich trotz guter Zahlen dem Abwärtssog nicht zu entziehen. Weniger Corona-Einschränkungen in vielen Ländern und die Übernahme des niederländischen Augenoptikers Grandvision hatten den Brillenkonzern zum Jahresstart angetrieben.

Negative Vorzeichen gab es auch bei AB Inbev . Der Rückzug aus dem Geschäft in Russland belastet das Ergebnis des weltgrössten Bierbrauers mit etwas mehr als einer Milliarde Dollar. Das belgische Unternehmen will seinen Anteil an dem Gemeinschaftsunternehmen AB Inbev Efes an den türkischen Kooperationspartner Anadolu Efes verkaufen. Die Aktie sank um 2,4 Prozent.

Neben defensiven Sektoren wie Telekommunikation, Versorger und Nahrungsmittel hielten sich auch die Baustoffaktien recht gut. Der Schweizer Baustoffkonzern Holcim traut sich dank des weltweiten Baubooms nach einem starken Jahresstart noch mehr Wachstum zu. Trotz der geopolitischen Unsicherheiten dürften die Geschäfte in allen Regionen weiter schwungvoll wachsen. Anleger honorierten dies mit 4,3 Prozent Aufschlag. Auch CRH stiegen leicht.

Renault-Aktien gewannen mehr als zwei Prozent. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen berichtete, erwägt der französische Autobauer eine Veräusserung von Teilen seiner Beteiligung am japanischen Autobauer Nissan. Damit könnten Renault Milliarden zufliessen, die für den Schwenk hin zur Elektromobilität benötigt werden./mf/mis