PARIS/LONDON (awp international) - Unter dem Strich hat die neuerliche kräftige Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) die wichtigen Börsen der Eurozone am Donnerstag nicht belastet. Zwar gingen die Aktienkurse vor der Verkündung der Zinsentscheidung am frühen Nachmittag zunächst auf Tauchstation. Nachdem die EZB die Erhöhung des Leitzinses um weitere 0,75 Prozentpunkte bekannt gegeben hatte, ging es mit den Kursen aber wieder nach oben. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 schloss 0,02 Prozent tiefer bei 3604,51 Punkten.

In Paris gab der Cac 40 um 0,51 Prozent auf 6244,03 Punkte nach. Hier belasteten die Kursverluste einzelner Schwergewichte wie LVMH , Schneider Electric und L'Oreal . In London legte der FTSE 100 um 0,25 Prozent auf 7073,69 Zähler zu, der "Footsie" profitierte vom Anstieg der Ölwerte Shell und BP , die den Index anführten.

Der Gegenwind von den Zinsen für die Börsen könnte zunehmen. Europas Währungshüter haben angesichts einer Rekordinflation nicht nur den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte auf 2,0 Prozent erhöht, sie stellten auch weitere Erhöhungen in Aussicht. "Auch wenn eine Rezession in der Eurozone vor der Tür steht, die hohen Inflationsraten - auch in 2023 - werden weitere grosse Zinsschritte nötig mache", prognostizierte Volkswirtin Ulrike Kastens vom Vermögensverwalter DWS.

Auch am Donnerstag sorgten Quartalszahlen für teilweise starke Kursbewegungen. Spitzenreiter im negativen Sinne war die gebeutelte Aktie von Credit Suisse , die um fast 19 Prozent einbrach. Das war der grösste Tagesverlust in der Börsengeschichte der Papiere. Nicht nur schwache Quartalszahlen schlugen den Marktakteuren aufs Gemüt, sondern auch die Strategiepläne. Analysten bemängelten, diese gingen nicht weit genug.

Unter Druck standen die Technologiewerte. Hier belasteten nicht nur die schwachen Vorgaben aus den USA, sondern auch die Zahlen des Halbleiterherstellers STMicroelectronics . Der Chipkonzern habe die Erwartungen mit den Resultaten übertroffen, der Umsatzausblick für 2022 liege aber nur auf dem Niveau der durchschnittlichen Expertenschätzungen, hiess es in einer Studie von Goldman Sachs. STMicro fielen um sieben Prozent.

Mit Schneider Electric verlor ein weiterer französischer Standardwert 3,4 Prozent. Trotz anhaltender Lieferkettenprobleme hatte der Elektrokonzern im dritten Quartal zwar besser als von Analysten erwartet abgeschnitten. Die lediglich bestätigten Jahresziele könnte den Anlegern aber zu wenig gewesen sein, vermuteten die Analysten von Jefferies.

Deutlich besser kamen die Zahlen von AB Inbev an. Der weltgrösste Bierbrauer blickt dank einer anhaltend hohen Nachfrage etwas optimistischer auf das laufende Jahr. Die Aktie kletterte daraufhin um fast sechs Prozent nach oben.

Auch die Ölkonzerne überzeugten mit ihren Quartalsberichten. Shell und die französische Totalenergies hatten im dritten Quartal von den hohen Öl- und Gaspreisen profitiert. Beide Aktien verzeichneten deutliche Gewinne, was den Ölsektor zum Spitzenreiter auf dem Sektortableau machte./bek/he