PARIS/LONDON (awp international) - Die europäischen Börsen haben am Donnerstag nachgegeben, ihre Anfangsverluste aber deutlich verringert. Der EuroStoxx 50 verlor am Vormittag 0,24 Prozent auf 4154,66 Punkte.

In Paris tendierte der Cac 40 nahezu unverändert, während der FTSE 100 in London sogar um 0,5 Prozent auf 7506,74 Zähler anzog.

Schien der erwartete striktere geldpolitische Kurs der US-Notenbank eigentlich schon eingepreist, so kam es doch anders: Aussagen des US-Notenbankchefs Jerome Powell heizten die Sorgen vor einer strikteren Geldpolitik wieder an. "Mr. Nice Guy Powell wird ungemütlich", stellte Analyst Bernd Krampen von der Nord/LB fest. "In der Pressekonferenz betonte der recht hawkish auftretende Jerome Powell, dass die aktuellen Wertpapierbestände der Notenbank bei derzeit neun Billionen Dollar höher als notwendig seien. Das signalisiert, dass ein Quantitative Tightening in 2022 sicherlich Realität wird."

Für die Börsen wäre dies alle andere als gut. Die lockere Geldpolitik im Rahmen des Quantitative Easing war in den vergangenen beiden Jahren Haupttreiber der soliden Kursentwicklung. Ein strikterer Kurs könnte ein raueres Klima an den Finanzmärkten bedeuten. Entsprechend zurückhaltend sind Experten für die weitere Entwicklung gestimmt. "Im ersten Jahresabschnitt werden vornehmlich die Umsetzung der restriktiven US-Geldpolitik, begleitet von wahrscheinlich weiter steigenden Zinsen am Anleihemarkt, die Anleger beschäftigen", hiess es vom Vermögensverwalter Fiduka. "Dazu kommt ein wachsender Druck auf die Rekord-Gewinnmargen der Unternehmen durch weiter äusserst angespannte Zuliefernetzwerke und sehr hohe Rohstoff- und Energiepreise."

Anders als an den asiatischen Märkten blieben die Verluste in Europa aber überschaubar. Offensichtlich gibt es Hoffnung, dass die Europäische Zentralbank dem Kurs der US-Währungshüter nicht exakt folgen wird. Ob dies gerechtfertigt ist, muss sich allerdings noch zeigen. "Die Entscheidungen der Fed setzen die Europäische Zentralbank unter Druck, dem Inflationsgeschehen im Euroraum nicht mehr tatenlos zuzusehen", so Volkswirt Ulrich Kater von der Deka.

Die Verluste in Europa federten auch gute Unternehmensnachrichten ab. So stützte eine Meldung von STMicroelectronics das Technologiesegment. Der Halbleiterhersteller rechnet dank der starken Chipnachfrage für 2022 mit einem weiteren Umsatzsprung. Die Aktie rückte um 5,8 Prozent vor und glich damit die enttäuschende Entwicklung von SAP etwas aus.

Den Sektor der Nahrungs- und Genussmittelhersteller stützten gute Zahlen von Diageo . Der britische Spirituosenhersteller war in der ersten Hälfte des Geschäftsjahres 2021/22 dank einer hohen Nachfrage und gestiegener Preise schneller gewachsen als gedacht. Aktien wie die von ABInbev liessen sich inspirieren und zogen leicht an.

Der Bankensektor verzeichnete sogar deutliche Gewinne. Finanzinstitute gelten als Profiteure steigender Zinsen. Zudem sorgte die Bilanz der Deutschen Bank für Aufatmen. Auch Versicherer, die bei ihren Anlagen mit der Herausforderung der Nullzinspolitik fertig werden müssen, waren gefragt. Zudem hatte die UBS die Kursziele mehrerer Einzelwerte erhöht./mf/stk