PARIS/LONDON (awp international) - Europas wichtigste Aktienmärkte haben am Donnerstag an die Entwicklung vom Vortag angeknüpft. Erneut erwiesen sich Erholungsansätze als nicht nachhaltig. Der EuroStoxx 50 verlor am Vormittag 0,26 Prozent auf 4256,82 Punkte.

In Paris ging es noch etwas stärker nach unten. Der Cac 40 verlor 0,58 Prozent auf 7131,02 Punkte. Der FTSE 100 in London gab um 0,22 Prozent auf 7572,63 Punkte nach.

Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar von RoboMarkets begründete die verhaltene Entwicklung mit den zahlreichen Risikofaktoren "wie der bevorstehenden Zinswende in den USA, einer weiter steigenden Inflation und einem schwelenden Ukraine-Konflikt." Letzterer habe jederzeit das Potenzial für ein Beben an den Finanzmärkten, sollte die Situation dort militärisch eskalieren.

Auch die Preisentwicklung hat das Zeug, die Märkte negativ zu überraschen. "Die Inflationszahlen in Europa befinden sich weiterhin in der Beschleunigungsphase", so Marktexperte Andreas Lipkow von Comdirect. "So sind die Erzeugerpreise in Deutschland so stark wie seit Start der Erhebung der Daten angestiegen. Diese Tendenz wird weiter beobachtet und dürfte mittelfristig die EZB zu Reaktionen pressieren, falls sich diese Entwicklung auch europaweit zeigt."

An der Spitze der Verlierer standen die Ölwerte, nachdem der jüngste Höhenflug der Ölpreise eine Pause eingelegt hatte. "Die Internationale Energieagentur (IEA) erhöhte ihre Prognose für die weltweite Ölnachfrage im laufenden Quartal entgegen der Aussage ihres Chefs von letzter Woche nicht", merkte Rohstoffanalyst Carsten Fritsch von der Commerzbank dazu an. "Zwar spricht die IEA von einer angespannteren Marktbilanz, sie prognostiziert für 2022 aber weiterhin einen beträchtlichen Angebotsüberschuss am Ölmarkt."

Unter den Einzelwerten gehörten Philips zu den Verlierern. Hintergrund war eine skeptische Studie von Jefferies. Das Analysehaus hatte Philips von "Buy" auf "Hold" abgestuft und das Kursziel deutlich von 52 auf 32 Euro gesenkt. Analyst James Vane-Tempest warnte, die günstige Bewertung als Einstiegskriterium zu sehen. Die Gewinnwarnungen der Niederländer hätten das Vertrauen untergraben und der Ausblick für 2022 dürfte vorsichtig ausfallen. Zudem herrsche Unsicherheit wegen der anhaltenden Rechtsstreitigkeiten, deren Ausgang unklar sei.

Auf der Gewinnerseite standen dagegen Vivendi . Goldman Sachs hatte die Aktie mit "Buy" und einem Kursziel von 14,70 Euro in die Bewertung wieder aufgenommen. Der europäische Internet- und Mediensektor dürfte in den kommenden Jahren von einer beschleunigten Digitalisierung der Wirtschaft profitieren, schrieb Analystin Lisa Yang. Das stützte auch den Mediensektor insgesamt.

Für Erleichterung sorgte bei den Aktionären von Unilever eine Meldung zur geplanten Übernahme der Konsumgütersparte von GlaxoSmithKline . Die Transaktion könnte an unterschiedlichen Preisvorstellungen beider Konzerne scheitern. Der britische Lebensmittel- und Kosmetikhersteller will sein Angebot nicht erhöhen, der Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) hält jedoch die bisherige Offerte für zu gering.

Die Berg- und Talfahrt bei der Aktie des Impfstoffherstellers Valneva ging unterdessen weiter. Nach den Verlusten zu Jahresbeginn ging es nun um über 20 Prozent nach oben. Auslöser war die Meldung des Unternehmens, dass drei Gaben von VLA2001 im Versuch die Omikron-Variante von Covid-19 neutralisiert hätten. "Zwar kommt diese Nachricht genau zur richtigen Zeit", so Molnar. "Es bleibt nur die Frage, wie wichtig ein Totimpfstoff gegen eine Corona-Variante ist, die bislang als die schwächste eingestuft wird."/mf/eas