PARIS/LONDON (awp international) - Ein drohender Zusammenbruch des chinesischen Immobilienkonzerns Evergrande hat am Montag auch Europas wichtigste Aktienmärkte deutlich ins Minus gezogen. Der EuroStoxx 50 fiel auf den tiefsten Stand seit zwei Monaten und notierte am späten Vormittag 2,25 Prozent niedriger bei 4037,93 Punkten. In Paris sackte der Cac 40 um 2,28 Prozent auf 6420,22 Zähler ab. Der FTSE 100 in London verlor 1,69 Prozent auf 6846,27 Punkte.

Evergrande hat Schulden von umgerechnet mehr als 300 Milliarden US-Dollar (256 Mrd Euro) angehäuft. Der angeschlagene Konzern muss frisches Geld auftreiben, um Banken, Zulieferer und Anleihegläubiger fristgerecht zu bezahlen. Anleger befürchten einen Zahlungsausfall. Die Probleme haben sich laut Beobachtern für Evergrande in den letzten Monaten verschärft, weil Peking strengere Regeln für den hoch verschuldeten Immobiliensektor des Landes durchsetzt.

"Die Angst vor einer nächsten Immobilienkrise ist zurzeit gross", konstatierte Marktexperte Christian Henke vom Broker IG. Die chinesische Regierung scheine nicht bereit zu sein, Evergrande zu helfen. "Die Sorge ist nun, dass weitere Konzerne aus diesem Sektor in die Tiefe gerissen werden und sich daraus möglicherweise eine neue Immobilienkrise entwickelt. Erinnerungen an die Pleite der US-Bank Lehman Brothers im Jahr 2008 werden wach." Henke verwies damit auf die aus dem Lehman-Debakel resultierende weltweite Finanzmarktkrise.

Aus Branchensicht standen Rohstoffwerte, deren europäischer Branchenindex Stoxx Europe 600 Basic Resources um mehr als 5 Prozent einbrach, am stärksten unter Verkaufsdruck. Entsprechend gehörten die Aktien der Bergbaukonzerne Rio Tinto und BHP Group mit Kursabschlägen von jeweils rund 5 Prozent zu den schwächsten Papieren im Stoxx-50-Index .

Schlusslicht in dem Auswahlindex waren die Aktien von Prudential mit einem Minus von rund 7 Prozent. Sie reagierten damit auf Kapitalerhöhungspläne des britischen Versicherers. Prudential hatte am Wochenende mitgeteilt, sich bis zu 2,89 Milliarden US-Dollar an frischem Kapital beschaffen zu wollen. Rund 2,25 Milliarden Dollar des Verkaufserlöses will das Unternehmen für die Rückzahlung bestehender hochverzinslicher Anleihen verwenden, der Restbetrag soll in das Geschäft in Asien und Afrika investiert werden.

Gegen den schwachen Markttrend stiegen die Anteilsscheine von Astrazeneca als Stoxx-50-Spitzenreiter um 2,7 Prozent. Sie profitierten von positiven Studiendaten mit dem Brustkrebs-Medikament Enhertu. Nach Unternehmensangaben reduzierte Enhertu bei Patienten mit HER2-positivem metastasierendem Brustkrebs das Risiko einer weiteren Entwicklung der Krankheit oder des Todes um 72 Prozent./edh/stk