PARIS/LONDON (awp international) - Europas Börsen haben am Freitag wieder zugelegt und damit die verhaltene Tendenz der vergangenen Tage überwunden. Der EuroStoxx 50 zog am späten Vormittag um 1,55 Prozent auf 3938,67 Punkte an. Der französische Cac 40 kletterte um 1,11 Prozent auf 6649,09 Punkte und der britische FTSE 100 legte um 0,85 Prozent zu auf 7409,18 Punkte.

"Die Tiefschläge der letzten Handelstage werden gut weggesteckt", stellte Markexperte Andreas Lipkow fest. Hilfreich seien etwa fallende Preise bei Öl. Allerdings bleibe abzuwarten, welche Rolle der kleine Verfallstag, an dem Optionen und Futures am Terminmarkt auslaufen, für die Kursfindung spielt. "Was zu einem länger anhaltenden Aufschwung fehlt, ist eine fundamentale Begründung, etwa ein Ausblick auf steigende Unternehmensgewinne", so Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka Bank. "Es kristallisiert sich heraus, dass die Gewinnerwartungen der Analysten für 2023 noch deutlich zu optimistisch angesetzt sind."

Von der Vorsicht der Marktteilnehmer trotz steigender Kurse zeugt aus Sicht von Lipkow auch die defensive Positionierung. So standen die Versorger an der Spitze der Einzelsektoren. Werte aus dem Segment waren gesucht. Erleichterung über fixierte Übergewinnsteuern für Produzenten Erneuerbarer Energie in Grossbritannien sorgte hier für steigende Kurse. In London legten die Papiere von Centrica , Drax und SSE teils mehr als 3 Prozent zu. Zwar sei die Steuerquote auf exzessive Gewinne dank hoher Strompreise mit 45 Prozent höher als ursprünglich erwartet, schrieb Analyst Matthew Hose von Jefferies. Dass diese Steuer aber erst ab einem Preis von 75 britischen Pfund je Megawattstunde greife, sei positiv zu bewerten.

Dagegen verzeichneten die zinssensiblen Immobilienwerte nur leichte Gewinne. Sogar deutlich nach unten ging es mit Unibail-Rodamco-Westfield , die um 1,9 Prozent fielen. Da das Zinsniveau für einige Zeit hoch bleiben könnte, sei mit Blick auf die Branche mit weniger Portfolioverkäufen, niedrigeren Investments sowie auch mit Dividendenkürzungen zu rechnen, schrieb Analyst Jonathan Kownator von Goldman Sachs in einer Branchenstudie. Mit Blick auf Unibail sieht der Experte Risiken für geplante Immobilienverkäufe und rechnet mit einer trägeren Entwicklung.

Am Ende des Feldes lag mit den Technologiewerten eine ebenfalls vom Zinsumfeld abhängige Branche. Der Präsident der Federal Reserve Bank of St. Louis, James Bullard, hatte am Vortag gesagt, dass die US-Leitzinsen mindestens auf 5,00 bis 5,25 Prozent erhöht werden müssten, und damit die zuletzt aufgekeimten Hoffnungen auf eine weniger strikte US-Geldpolitik gedämpft. Dies hatte auch US-Technologiewerte belastet. Eine Abstufung der SAP -Aktien um gleich zwei Stufen durch die US-Bank Jefferies belastete zudem das Sektor-Schwergewicht. SAP sanken um 1,5 Prozent./mf/jha/