PARIS/LONDON (awp international) - An den europäischen Börsen streichen die Anleger am Dienstag schon wieder ihre zuletzt erzielten Gewinne ein. So hat sich an den übergeordneten Themen nichts geändert: hohe Inflationsraten sowie die wieder aufgeflammte Corona-Pandemie in China nähren Konjunktursorgen. Dazu passte eine Unternehmensstimmung, die sich im Euroraum etwas stärker eintrübte als gedacht.

Der EuroStoxx 50 fiel am späten Vormittag um 1,29 Prozent auf 3660,45 Punkte, nachdem er in den vergangenen beiden Tagen unter Schwankungen jeweils Gewinne eingefahren hatte. Der Cac 40 in Paris verlor ähnliche deutliche 1,40 Prozent auf 6269,40 Punkte. Der Londoner FTSE 100 allerdings sank etwas weniger, und zwar um 0,54 Prozent auf 7472,59 Punkte.

An den derzeit tonangebenden US-Börsen gaben die Futures am Dienstag wieder nach - insbesondere im Technologiesektor wegen einer Hiobsbotschaft vom Foto-App-Anbieter Snap , der die Anleger mit kassierten Quartalsprognosen schockiert hat. Die Nachricht sei ein herber Rückschlag für die zuletzt wieder grösser gewordene Risikobereitschaft der Anleger, hiess es. In China litten die Börsen unterdessen weiter unter den dort steigenden Corona-Infektionszahlen.

Vor allem im zuletzt gefragten Energiesektor wurde von Anlegern im grösseren Stil Kasse gemacht: Der Teilindex war mit einem Einbruch um 3,3 Prozent das abgeschlagene Schlusslicht in der Branchenwertung. Die Verluste standen im Zusammenhang mit Spekulationen über eine britische Sondersteuer für Versorger, die derzeit von den hohen Strompreisen profitieren. Einem Bericht der "Financial Times" (FT) zufolge hat der britische Finanzminister Rishi Sunak die Planung einer solchen Abgabe angestossen.

Die britisch-stämmigen Konzerne traf diese Perspektive besonders schwer: Die Papiere von SSE und Drax zum Beispiel brachen um 9,9 respektive 17,6 Prozent ein, parallel zu dem 'FT'-Bericht wurden sie am Mittwoch von der US-Bank Citigroup abgestuft. SSE bewertet die Expertin Jenny Ping nun mit "Neutral" und Drax gar mit "Verkaufen". Andere Werte folgten dem generellen Abgabedruck ähnlich deutlich: für Centrica ging es in London um gut 10 Prozent bergab.

Der am Vortag schon starke Bankensektor zeigte sich dagegen robust, der Branchenindex bewegte sich hier gegen Mittag nur leicht mit 0,2 Prozent im Minus. Aktien der Schweizer UBS und der britischen Institute HSBC und Barclays fielen mit Kursgewinnen von bis zu 1,8 Prozent positiv auf. Die Branche gilt als Profiteur eines Umfelds steigender Zinsen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte am Montag auch in Europa ein geldpolitische Wende signalisiert mit einer in Aussicht gestellten ersten Zinsanhebung seit elf Jahren.

Von Snap bedingt sorgten sich Börsianer wieder mehr um die Werbeausgaben, die im Mediensektor als besonders wichtig gelten. Der Branchenindex fiel hier relativ deutlich um 1,6 Prozent. Die Titel des Werbekonzerns WPP und der TV-Sendergruppe ITV etwa sackten im FTSE 100 besonders deutlich um bis zu 4,1 Prozent ab.

Auch in der Ölbranche mussten Anleger Kursverluste einstecken, die in London gehandelten Papiere von BP und Shell verloren bis zu 2,2 Prozent. Die Ölpreise sind am Dienstag leicht gefallen, was am Markt mit dem höheren Dollar und der Aussicht begründet wurde, dass die Ölnachfrage aus China unter der dort wieder aufgeflammten Pandemie leiden wird.

Air France-KLM fielen um 7,6 Prozent wegen des schon länger erwarteten Beschlusses einer Kapitalerhöhung, mit deren Hilfe Staatshilfen zurückgezahlt werden sollen. Wegen der vorgesehenen Ausgabe neuer Aktien verteilen sich potenzielle Gewinne der Fluggesellschaft künftig auf mehr Papiere.

Aus dem wieder angeschlagenen Tech-Sektor war Prosus einmal mehr das EuroStoxx-Schlusslicht mit einem Abschlag von 6,1 Prozent. Die britische Investmentbank Barclays hat die Aktie infolge eines gesenkten Votums für die Kernbeteiligung Tencent nun auch auf "Equal Weight" heruntergestuft./tih/mis