PARIS/LONDON (awp international) - Europas wichtigste Aktienmärkte sind am Freitag auf Tauchstation gegangen. Börsianern zufolge wirken sich die Unsicherheit um den insolvenzbedrohten chinesischen Immobilienkonzern Evergrande sowie die am Sonntag anstehende Bundestagswahl in Deutschland dämpfend auf das Kaufinteresse der Anleger aus.

Der EuroStoxx 50 sank gegen Mittag um 1,01 Prozent auf 4152,35 Punkte und machte damit seinen Vortagesgewinn praktisch komplett zunichte. Auf Wochensicht deutet sich für den Leitindex der Eurozone aber ein Wochengewinn von rund 0,5 Prozent an. In Paris verlor der Cac 40 am Freitag rund 1,1 Prozent auf 6627 Zähler. Der FTSE 100 in London fiel um rund 0,4 Prozent auf 7050 Punkte.

Die Anleger seien hin- und hergerissen zwischen der Hoffnung auf eine Evergrande-Rettung in letzter Minute und der Sorge, dass die Regierung in Peking "den Immobilienriesen gegen die Wand fahren lässt", erklärte Analyst Timo Emden von Emden Research. "Mit der anstehenden Bundestagswahl und den schwelenden Sorgen rund um Evergrande gehen Anleger lieber auf Nummer sicher und versilbern einen Teil ihrer Gewinne."

Marktexperte Andreas Lipkow von der Comdirect nannte zudem die schwache Entwicklung des deutschen Ifo-Index als weiteren Belastungsfaktor. "Es deutet sich eine potentielle Verlangsamung der Konjunktur an, die in eine Flaschenhals-Rezession münden kann. Diese Gefahr ist nicht unerheblich, da zusätzlicher Kostendruck von der Rohstoffseite und ein wahrnehmbarer Inflationsdruck am Wirtschaftshorizont zu sehen sind", so Lipkow.

Wie das Ifo-Institut mitteilte, hat sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft im September erneut verschlechtert. Das Ifo-Geschäftsklima, Deutschlands wichtigstes Konjunkturbarometer, fiel stärker als von Analysten erwartet. Es war der dritte Rückgang in Folge, was Experten für gewöhnlich als konjunkturellen Wendepunkt deuten.

Aus Unternehmenssicht war es am Freitag nachrichtlich bislang sehr ruhig. Die Aktien von Astrazeneca stiegen als Stoxx-50-Spitzenreiter um 2,1 Prozent. Der britische Pharmakonzern hatte positive Studiendaten zum Krebsmittel Lynparza veröffentlicht.

Die B-Aktien des Nutzfahrzeugherstellers Volvo büssten 0,5 Prozent ein. Das Brokerhaus Stifel stufte sie von "Buy" auf "Hold" ab und senkte das Kursziel von 252 auf 210 schwedische Kronen. Analyst Alexander Wahl geht in einer am Freitag vorliegenden Studie davon aus, dass die Knappheit von Halbleiterprodukten den Gewinn des Nutzfahrzeugherstellers auch 2022 noch beeinträchtigen wird.

Die Dienstleistungssparte Majorel des Bertelsmann-Konzerns startete am Freitag schwach an der Amsterdamer Börse Euronext. Zuletzt wurden die Aktien mit 30,80 Euro gehandelt und damit 6,7 Prozent unter dem Ausgabepreis von 33 Euro./edh/men