PARIS/LONDON (dpa-AFX) - Ein düsterer Konjunktur-Ausblick der US-Notenbank (Fed) für die größte Volkswirtschaft der Welt sowie das Ausbleiben weiterer Hilfsmaßnahmen hat die Anleger in Europa am Donnerstag verschreckt. Der überbordende Optimismus, der seit Monatsbeginn herrschte, erhielt einen weiteren Dämpfer. Der EuroStoxx 50 gab den vierten Handelstag in Folge nach und büßte am späten Vormittag 2,56 Prozent auf 3209,35 Punkte ein. Allerdings hatte sich der Leitindex der Eurozone seit dem Tiefpunkt im Corona-Crash Mitte März in der Spitze bereits wieder um bald 50 Prozent erholt gehabt, was nicht zuletzt dem starken Anstieg von rund 11 Prozent in der ersten Juni-Woche zu verdanken war.

Wie Marktexperte Andreas Lipkow von der Comdirect Bank erklärte, knüpfen die Börsen in Europa an die schwachen Vorgaben aus den USA und Asien an. Weltweit seien die Anleger enttäuscht, dass es keine Ausweitung der expansiven US-Geldpolitik durch die Fed gegeben hat, sagte er. "Den Marktteilnehmern reicht es nicht, dass die US-Notenbank bis 2022 nicht an der Zinsschraube drehen wird." Stattdessen sei auf noch mehr gesetzt worden, weshalb das Ausbleiben nun die längst erwartete "überfällige Börsenkonsolidierung" eingeläutet haben könnte.

Die Fed hatte am Vorabend signalisiert, dass die Leitzinsen in den USA wohl über Jahre hinaus an der Nulllinie bleiben werden. Die Pandemie und ihre Folgen dürften die Wirtschaft, den Arbeitsmarkt und die Inflation auch künftig stark belasten. Es bestünden erhebliche konjunkturelle Risiken, erklärte die Fed.

Ähnlich wie der Benchmark-Index EuroStoxx reagierten auch die großen Länderbörsen am Donnerstag auf die Fed: In Paris sank der Cac 40 um 2,97 Prozent auf 4903,58 Punkte. Der britische Leitindex FTSE 100 büßte 2,50 Prozent auf 4903,58 Zähler ein.

Branchenweit gab es nur Verlierer. Unter den Einzelwerten indes ragten im EuroStoxx das Papier des Konsumgüterherstellers Unilever mit plus 3,6 Prozent hervor. Es war damit die einzige Aktie mit einem Kursgewinn in dem 50 Werte umfassenden Index. Wie der niederländisch-britische Konsumgüterkonzern zuvor mitgeteilt hatte, soll es künftig nur noch eine Muttergesellschaft geben. Die Gruppe solle auf die Unilever Plc in London gebündelt werden. Bisher hat Unilever eine duale Struktur mit zwei Sitzen, einem in den Niederlanden und einem in Großbritannien. Laut Liberum-Analyst Nico von Stackelberg wird dies die Rechtsform vereinfachen, ebenso wie die Unternehmensführung. Auch die Komplexität mit Blick auf Übernahmen oder Veräußerungen würde reduziert.

In London legten Just Eat Takeaway.com um moderate 0,2 Prozent zu und fielen damit ebenfalls positiv auf. Die Aktie des britisch-niederländischen Essenslieferdiensts hatte am Vortag noch mit sehr kräftigen Verlusten darauf reagiert, dass dieser sich mit dem US-Wettbewerber Grubhub auf dessen Übernahme geeinigt hat. Spekulationen auch über ein Interesse von Delivery Hero an Grubhub hatten bereits Tage zuvor die Runde gemacht. Analyst Marcus Diebel von JPMorgan zeigte sich überrascht von der Übernahme, da das Umfeld für Essenslieferanten in den USA wettbewerbsintensiv sei und nur begrenzt rasche Synergien aus dem Deal gehoben werden könnten.

Um 0,7 Prozent und damit relativ moderat abwärts ging es für die Aktien von Nestlé. Der Nahrungsmittelkonzern erwarb eine Mehrheitsbeteiligung an der US-Firma Vital Proteins, die unter anderem Nahrungsergänzungsmittel herstellt. Finanzielle Einzelheiten wurde nicht bekannt gegeben.

In Mailand gaben die Papiere des Versicherers Assicurazioni Generali um 2,5 Prozent und damit marktkonform nach. Kreisen zufolge macht sich Generali Gedanken über die Zukunft des schweizerischen Geschäfts. Die strategischen Optionen würden geprüft, entschieden sei aber noch nichts, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg am Mittwoch unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen./ck/jha/