PARIS/LONDON (dpa-AFX) - Kollabierende Ölpreise haben am Dienstag den europäischen Aktienmärkten schwer zugesetzt. Der Optimismus der Anleger hat einen Dämpfer bekommen. Nun wüchsen postwendend wieder die Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit der jüngsten Erholung an den Börsen, kommentierte Marktbeobachter Timo Emden.

Der EuroStoxx 50 schloss mit minus 4,06 Prozent bei 2791,34 Punkten auf Tagestief. Der französische Cac 40 verlor 3,77 Prozent auf 4357,46 Punkte und der britische FTSE 100 sank um 2,96 Prozent auf 5641,03 Zähler.

Nicht nur die Viruskrise sorgt für die deutlichen Verwerfungen am US-Ölmarkt, sondern auch der Ölpreis-Krieg zwischen Saudi-Arabien und Russland. Dessen Ziel, so sehen es einige Experten, dürfte auch die US-Ölindustrie gewesen sein.

Das ohnehin bereits seit längerem bestehende Überangebot an Rohöl wuchs allerdings durch den in vielen Ländern herrschenden "Shutdown" und den damit verbundenen Zusammenbruch des internationalen Reiseverkehrs weiter. Am Vorabend war der US-Ölpreis WTI auf minus 40 Dollar abgesackt. Das bedeutete, dass erstmals seit der Aufnahme des Öl-Future-Handels im Jahr 1983 Käufer bei der Abnahme Geld erhielten. Angesichts dieser noch nie dagewesenen Marktverwerfungen reagierten die Anleger risikoavers.

Denn die Ölindustrie ist ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor in den USA. Sollten nun womöglich viele kleinere, teils hoch verschuldeten US-Ölunternehmen in Schieflage geraten, könnte das weite Kreisen ziehen und auch kreditgebende Banken in Mitleidenschaft ziehen.

Dabei war es noch in den vergangenen beiden Wochen an den Aktienmärkten wieder deutlich aufwärts gegangen, weil die Anleger auf ein schnelles Wiederanlaufen der Weltwirtschaft und eine wirksame medizinische Waffe im Kampf gegen Covid-19 hofften. Einige Experten hatten zugleich vor einer verfrühten Rally gewarnt - auch angesichts der nun anstehenden Runde der Unternehmensbilanzen, die einen genaueren Einblick in die Belastungen durch das neuartige Corona-Virus geben dürften. "Die Anleger haben sich zu schnell und zu weit wieder ins Risiko getraut", kommentierte Marktexperte Stephen Innes von Broker AxiCorp nun die aktuellen Verluste an den Börsen./ck/he